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Autor: Anonym & Christoph Grotepass 15.03.2013
„Wir sind Theologiestudentinnen. Kannst du uns bei einem Vortrag für die Uni helfen?“
Seit einigen Jahren bekommt unsere Beratungsstelle Anfragen zu einer koreanischen Gemeinschaft, der „(Kirchen-) Gemeinde Gottes des Weltmissionsvereins“/ „World Mission Society Church of God“ (WMS). Weitere Bezeichnungen sind „Gemeinde Gottes die an Mutter Jerusalem glaubt“, kurz „Gemeinde Gottes“ oder auch Elohisten. Die Gemeinschaft fällt durch massive Missionierungsaktionen in deutschen Städten auf. In Einkaufsstraßen und insbesondere auf dem Gelände von Universitäten werden meist jüngere Leute angesprochen. In Internetforen finden sich etliche Fragen und Erfahrungsberichte hierzu.Dieser Missionierungsdruck bewegte bereits christliche Nachbar-Gemeinden dazu, sich auf ihrer Webseite von dieser Gruppierung zu distanzieren. Christliche koreanische Gemeinden, auch (adventistische) Freikirchen – die sich teilweise ebenfalls kurz „Gemeinde Gottes“ nennen - befinden sich im ökumenischen Dialog und sind von dieser synkretistischen Sondergemeinschaft klar zu unterscheiden. Darüber hinaus gibt es weitere Gemeinschaften, die sich neben anderen Namen ebenfalls „Gemeinde Gottes“ nennen und wie diese Gemeinschaft auch eine Reihe konfliktträchtiger Züge aufweisen. Folgendes „Schnellerkennungsmuster“ zeigt, dass man es mit der „Gemeinde Gottes des Weltmissionsvereins“ zu tun hat: Es handelt sich oft um junge, mehrheitlich koreanische Missionare und Missionarinnen. Bei der „fröhlich-aufdringlichen“ Ansprache treten sie meist zu zweit auf. Die Ansprache erfolgt in Einkaufsstraßen, auf dem Universitätsgelände, seltener an der Haustür. Insbesondere bei Studenten und jungen Leuten erfolgt oft die Bitte um Hilfe bei einem Vortrag. Gängige angesprochene Themen sind: die männliche und weibliche Seite Gottes, die Verkörperung Gottes im Menschen, die „wahren Feste“ Gottes und die Dringlichkeit des Passahmahles zur Errettung. Es wird sehr schnell zur Taufe eingeladen. In einzelnen Fällen erfolgte sie bereits beim ersten Treffen. Auf Nachfrage geben die Missionare zunächst vor, einer normalen christlichen Gemeinschaft anzugehören. Es werden weitere Gespräche im Zentrum angeboten, aber auch „freundschaftliche Treffen“.
Danach geht es beispielsweise so weiter: Im Zentrum werden Videos zur koreanischen Hauptgemeinde gezeigt. Es folgen intensive Belehrungen zu biblischen Themen. Eine scheinbar logisch aufeinander aufbauende Abfolge von Argumenten und Bibelzitaten soll die wahre christliche Lehre beweisen. Wer sich von der Notwendigkeit zur Taufe „überzeugen“ lässt wird sofort getauft und erhält das Passahmahl. Anschließend wird er oder sie mitsamt Adresse und Telefonnummer ins „Buch des Lebens“ eingetragen und fotografiert. Weitere Treffen werden verabredet. Nach einiger Zeit der Mitgliedschaft wird ein Besuch der koreanischen Hauptgemeinde angeregt. Außerdem wird eine mehrjährige missionarische Ausbildung in Korea empfohlen. Im nachfolgenden Erfahrungsbericht wird die Problematik dieser schnellen Missionierung deutlich.- - -
Meine Mitgliedschaft in der Gemeinde Gottes in X-Stadt dauerte etwa eineinhalb Jahre. Ich war gerade erst drei Monate in X-Stadt, als mich zwei Koreaner in der Uni-Mensa ansprachen. Sie sagten, sie machten hier ein Auslandspraktikum und fragten, ob ich Ihnen nur fünf Minuten bei einer Hausaufgabe helfen könne. Ich lehnte erst ab, weil meine Mittagspause schon zu Ende war. Daraufhin fragten sie, wie es nach der Arbeit aussähe. Ich dachte, es müsse etwas Wichtiges sein und sie bekämen sonst wohl nicht viel Hilfe, wenn sie vier Stunden auf mich warten wollten, nur um mir einen fünf-Minuten-Vortrag zu halten. Also willigte ich ein. Ich kam wie verabredet und sie freuten sich wie Honigkuchenpferde. Wir setzten uns, und sie begannen in gebrochenem Deutsch und Englisch mithilfe bebilderter Schriften Bibelstellen zu erklären. Aus fünf Minuten wurde wohl eine Stunde. Ich verstand auch nach vielen Wiederholungen kaum ein Wort, nur dass ich mich unbedingt taufen lassen müsste. Ich wollte eigentlich bereits nach zehn Minuten gehen, lehnte auch beständig die Taufe ab, da ich nicht richtig wusste, ob und woran ich glaubte. Dennoch hielt mich das ständige Bitten ihrerseits und Höflichkeit meinerseits zurück. Die Missionarin hielt die ganze Zeit über eine meiner Hände, massierte sie teils, und lächelte mich pausenlos an. Das war einerseits befremdlich, andererseits war es ein angenehmes Gefühl von Wärme. Sie luden mich in ihre Gemeinde ein, ich lehnte ab. Nach mehrmaligem Bitten willigte ich aber ein, mich ein anderes Mal mit ihnen an gleicher Stelle zu treffen, um einem anderen Vortrag zuzuhören.
Beim nächsten Mal schlugen sie nicht sofort Ihre Bibel auf, sondern luden mich nochmals in ihre Gemeinde ein. Die Prediger sammelten sich in der Uni-Mensa am Abend, um gemeinsam in die Gemeinde zu fahren und dort zu essen. Ich lernte dadurch auch zwei deutsche Mitglieder in meinem Alter kennen, überzeugte mich von Ihrer Freundlichkeit und "Normalität" und überwand die Scheu. Wir fuhren also gemeinsam in die Gemeinde, wo ich weitere herzlich lächelnde Menschen kennenlernte und wir aßen zu abend. Danach folgte eine weitere Bibellektion für mich, diesmal durch eine (koreanische) Diakonin, die schon sehr gut deutsch konnte. Auch dieses Mal lehnte ich die darauf folgenden Bitten, mich taufen zu lassen, ab. Dennoch war ich fasziniert von unglaublichen Prophezeiungen in der Bibel, der Art, wie die Diakonin von einem Vers zum nächsten sprang und von der Freundlichkeit und herzlichen Wärme in der Gemeinde. Ich hatte bisher nirgendwo so viele glückliche, ausgeglichene, fröhliche, zuvorkommende, herzliche Menschen auf einem Fleck getroffen. Nach einigen Treffen lehnte ich nach einer Bibellektion wieder die Taufe ab, mit der Begründung, dass ich nicht richtig glaube. Die Diakonin meinte, dass der wahre Glaube erst durch die Taufe möglich sei. Außerdem erzählte sie mir, dass viele für mich und meine Seelenrettung (die nur durch die Taufe und anschließendes Passah möglich sei) beten würden. Insbesondere die Missionarin, die mich zum ersten Mal angesprochen hatte, hätte sogar für mich gefastet und unter Weinen gebetet. So ließ ich mich taufen. Während der Taufe in einer Art Dusche in der kleinen Gemeinde (die nur eine große Wohnung war) sangen die anderen anwesenden Mitglieder ein Lied. Sie klatschten anschließend und beglückwünschten mich sehr herzlich. Es folgte das Passahmahl mit Brot und Wein (-traubensaft) sowie die Eintragung in das Buch des Lebens (mit Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum). Anschließend gab es eine Runde, in der ich alle kennenlernen sollte. Wir setzten uns in einem Kreis zusammen, jeder sagte ein bisschen über sich und seine Gefühle in dem Moment. Einige Mitglieder, besonders die "Schwestern" (durch die Taufe waren wir geistliche Verwandte geworden) waren sehr emotional, bedankten sich bei Gottvater und Gottmutter, dass ein verlorenes Kind wiedergefunden wurde. Lang vermisste Schwester. Eine Schwester, mein darauf folgender guijokjan (so etwas wie Gruppenleiter), und damit Lehrerin, Betreuerin und Verantwortliche weinte sogar vor Freude...
Selina (Name verfremdet), meine koreanische Schwester, war nun meine Betreuerin (guijokjan). Über die Zeit ist eine extrem nahe Bindung zu ihr entstanden. Wenn ich heute an die Gemeinde zurückdenke, vermisse ich besonders sie sehr schmerzlich. Sie fragte mich immer, wann wir als nächstes studieren (ein weiteres Bibelthema behandeln) könnten. Ich war anfangs bereit, mich etwa einmal in der Woche mit ihr zu treffen. Ich hatte oft etwa ein oder zwei Stunden dafür angesetzt. Wir überschritten aber immer (!) die Zeit. Das lag daran, dass sie mir möglichst schnell alles beibringen wollte, wir uns über vieles austauschten und es nebenher auch in der Gemeinde sehr familiär zuging. Man konnte sich also dem ein oder anderen Plausch oder einem gemeinsamen Kochen und Essen nicht entziehen.Ich wurde oft gelobt: Du bist so klug! Du verstehst alles so schnell! Du bist so hübsch! Mutter ist so froh, solch eine liebenswürdige Tochter wiedergefunden zu haben, etc.! Andererseits gab es starke, indirekte Forderungen/ Weisungen, in der Art: Für deine Seele ist es sehr gut, wenn du auch am Gottesdienst teilnimmst. Das ist wie eine geistige Tankstelle. Und an dem Tag hat uns Gott versprochen, dass wir ihn treffen können. Dein Schutzengel geht übrigens auch zum Gottesdienst. Wenn du also nicht gehst, ist er sehr traurig, weil er dich ungeschützt zurücklassen muss. Außerdem solltest du oft beten. Beten ist wie atmen. Und kannst du ohne zu atmen leben? Wenn du des Weiteren nicht regelmäßig Gottes Wort studierst, kann du geistig verhungern, weil Gottes Wort unsere geistige Nahrung ist...Das Folgen der Weisungen gab trotz anfänglicher Zögerungen meinem Gewissen ein gutes Gefühl, außerdem wurde es immer mit Lob durch Selina und auch andere Gemeindemitglieder quittiert. Daher hatte ich den Eindruck, wirklich Energie durch die Gemeinde und durch den Glauben zu tanken. Ich war wie beflügelt. Im Gegenzug (oder besser: als sinnvolle Ergänzung) zu den Forderungen hat Selina versucht, mich zu entlasten. Dies betraf aber meist nur weltliche Hindernisse, die der Gemeinde entgegenstanden. Sie hat mich ermutigt, dass man durch das Aufgeben materieller und weltlicher Dinge für Gott, immer mehr gewinnen kann. Dass Gott einem dann großen Segen schenken werde. "Wer Schätze im Himmel sammelt, ..." Langsam konnte ich mein geistiges Konto mit Reichtum mehren. Alles, was mit der Gemeinde, der Bibel oder Gott zu tun hatte, versprach im Prinzip Segen. Ich studierte mehr und mehr und mich faszinierte das neue Weltbild, nach dem ich schon immer gesucht zu haben glaubte. Die Wahrheit. Alles klang so logisch. Es war für mich wie ein großes Puzzle und mit jedem neu studierten Thema kam ein neues Teil hinzu, das sich passend in ein großes Ganzes fügte. Alles ergab Sinn. Besonders Prophezeiungen schienen für mich absolut den Wahrheitsgehalt zu bestätigen. Menschen waren ja nicht fähig, in die Zukunft zu sehen. Gott, wenn es ihn gäbe, schon. So umfangreich und unbestreitbar mir die Prophezeiungen schienen, so war für mich Gottes Existenz und die Wahrhaftigkeit der Gemeinde Gottes bewiesen. Ich lernte, dass nur die Gemeinde Gottes, die durch Gott errichtet wurde, die wahre Kirche sei. Sie lebe allein nach dem Wort Gottes, das durch den Teufel zuvor verloren gegangen sei. Nur durch das Wort Gottes konnte man von den Erbsünden erlöst und gerettet werden. Nach dieser Erkenntnis genügte es nicht mehr, so oft wie möglich Segen zu sammeln, sondern im Grunde war es nötig, Gottes Wort komplett zu folgen. Es war zwar dennoch ein Prozess und ging nicht von heute auf morgen, aber ich ging bereitwillig den Weg: studieren, an allen (!) Gottesdiensten teilnehmen, Predigen üben und Predigen, Bibel lesen, an möglichst allen Versammlungen teilnehmen...
Das Leben in der Gemeinde hat recht schnell mein ganzes Leben bestimmt. Spätestens nach einem halben Jahr war ich ganz und gar eingenommen. Da begann ich, auch auf der Straße zu predigen. Der Glaube hat mich stark und mutig gemacht, war ich sonst doch immer eher sehr schüchtern und wenig selbstbewusst. Was sollte mir die Welt schon anhaben, wenn Gott immer bei mir ist? Alles Negative in der Welt nahm ich außerdem oft als Einfluss des Teufels in dieser Welt wahr. Es waren auch eher Prüfungen, die man mit Glauben immer bestehen konnte - so wurde es gelehrt. Außerdem wäre das Übel hier durch das nahestehende Weltende und kommende Paradies von wenig Belang. Wir müssten nur noch kurze Zeit Verfolgung und Bedrängnis (zum Beispiel beim Predigen oder bei Problemen mit Freunden und Familie wegen der Gemeinde) aushalten. Der Teufel würde immer stärker versuchen, Gottes Kinder vom rechten Weg abzubringen, je näher das Weltende bevorstünde.
Jeder Tag bestand in dem Glauben an Gott. Jesus (Gott) hat uns ein Beispiel gegeben, ihm zu folgen und ins Himmelreich zu gelangen. Jesus vor 2000 Jahren, wie auch Gottvater und Gottmutter in dieser Zeit, sind den Weg der Aufopferung gegangen. Wir könnten erst ins Himmelreich gehen, wenn wir alles Weltliche (Ballast) ablegten. Die aufopfernde Haltung der Gemeindemitglieder ließ sich einerseits dadurch und andererseits in der bloßen Liebe zu Gott - man möchte etwas zurückgeben, Gott eine Freude erweisen - begründen. Freizeit sollte man nicht für weltliche Dinge nutzen. Man sollte unermüdlich beten. Ein Thema studieren, Gottes Bücher (dazu später mehr) lesen und Predigen üben oder Predigen, um Gottes verlorene Kinder, die eigenen Geschwister, zu finden.
Jeden Dienstagabend gab es einen etwa einstündigen Gottesdienst. Den Samstag (Sabbat) verbrachte man als festes Gemeindemitglied komplett in der Gemeinde. Es gab drei Gottesdienste: am Morgen, nachmittags und am Abend. Zu den sieben Jahresfesten in drei Zeitabschnitten gab es je etwa zehntägige Phasen, in denen an jedem Tag der Frühmorgengottesdienst um fünf Uhr (also um drei Uhr aufstehen) und ein Abendgottesdienst gehalten werden musste. An den abschließenden hohen Festtagen gab es zusätzlich Gottesdienste am Vormittag und am Nachmittag. Es gab ein Weckrufsystem unter einigen Mitgliedern. Wenn jemand es nicht geschafft hat, machte man sich große Sorgen und betete für denjenigen. Hat man es selbst nicht geschafft, waren die Gewissensbisse sehr hart. In solchen Zeiten sollte besonderer Segen und Heiliger Geist ausgeschüttet werden. Manchmal habe ich geglaubt, das zu spüren. Oftmals fühlte ich mich aber einfach nur wie ein Zombie. Ich schlief fast im Laufen ein, musste aber noch den Arbeitstag durchhalten. Den Einkauf habe ich abends seltsam eingeordnet. Brot lag dann im Kühlschrank, Schokolade im Brotfach und der Aufschnitt bei den Süßigkeiten...
Täglich gab es zwei Gebetszeiten, am Morgen und am Nachmittag. Zur Gebetszeit in der Gemeinde liefen oft harmonische Gemeindelieder von CD, die in Korea in der Hauptgemeinde produziert wurden. Je nach Gruppe, Gemeindesitz oder Anlass (z.B. Missionszeiten) wurden manchmal weitere Gebetszeiten eingeführt – z.B. täglich fünf Uhr morgens. Ich hab es fast nie geschafft, auf das Weckerklingeln zu hören und mich dann auf ein Gebet zu konzentrieren. Geschweige denn, wie es der Ordnung gegenüber Gott (zumindest zu Hause und in der Kirche) gebührt, mich dafür aus dem Bett aufzurichten und auf meinem Boden zu knien... Entsprechend litt mein schlechtes Gewissen sehr darunter. Andere auch gerade verantwortungstragende Mitglieder plagten ähnliche Gewissensbisse. Doch durften sie gegenüber neueren Mitgliedern solche Schwäche nicht zeigen. Ein innerer Konflikt. Gebetet wurde außerdem in allen möglichen Transportmitteln vor Abfahrt, um um Schutz zu bitten. Die Mitreisenden in der Bahn dachten, man schliefe. Außerdem vor jedem Essen/ Getränk und bei Ankunft sowie Verabschiedung in der Gemeinde oder dem eigenen Heim. Eigentlich sollte man auch sonst überall und zu jeder Zeit ohne Unterlass beten und bei Gott sein.
Zu manchen Festzeiten wie Passah sollte man fasten. Das heißt ganz und gar auf Nahrung und Getränk verzichten. Es gab aber auch viele Mitglieder die durch das Fasten tieferen Glauben erlangen und Heiligen Geist empfangen wollten, um beim Predigen mehr Geschwister zu finden. Ich weiß von Geschwistern die so drei Tage durchhielten. Aber der Fastende selbst hielt es dem Glauben entsprechend eher geheim. Zu manchen Anlässen nahm sich die ganze Gemeinde vor, zu fasten. Länger als anderthalb Tage habe ich nie geschafft. Auch hier war das Gewissen gegenüber Gott sehr schmerzhaft. Dass man nicht so lang durchhielt, wie man sich vornahm, schien am noch mangelnden Glauben zu liegen.
Auch finanzielle Forderungen gab es. Der Bibel gemäß sollte man sich auf Erden nicht mit Reichtum belasten. Gesetz war die Abgabe des Zehnten. Das heißt zehn Prozent aller Einnahmen der Mitglieder wurden beim Sabbat-Gottesdienst - in mit Namen gekennzeichneten Umschlägen - eingesammelt. Ich glaube, niemand kontrollierte die Menge, nur vielleicht, ob man überhaupt etwas gab. Man stand aber unter dem Auge Gottes, der das wahre Herz erkannte. Zur Sicherheit gab man lieber etwas mehr. Außerdem wurde während des Gottesdienstes eine Art Kollekte, die Opfergaben, eingesammelt und in der Woche konnte/ sollte man für die eigene Gemeindegruppe, den Bau einer neuen Gemeinde oder etwas anderes spenden. In den meisten Fällen lief alles anonym durch Umschläge. Man hörte allerlei Geschichten von anderen Gemeindemitgliedern in anderen Städten/ Ländern, die ihr ganzes Hab und Gut Gott (sprich der Gemeinde) gaben. Sie dienten als Vorbild. Auch ich habe nur so viel behalten, wie ich wirklich selbst zum Leben brauchte. Ich hatte dafür sogar mein Sparkonto aufgelöst und alles der Gemeinde gegeben, in dem Glauben, dass das für mich besser wäre und ja eh bald die Welt unterginge. Dann könnte mit dem Geld wenigstens die Suche nach neuen Mitgliedern unterstützt werden. Zu dieser Entscheidung hat mich niemand bewegt. Das habe ich freiwillig und unter Geheimhaltung getan.
Es gab wöchentlich einige Versammlungen, die je nach sich ändernder Gemeindestruktur in Gruppen (z.B. nach Geschlecht und Alter) und nach Glaubensstufe geteilt waren. Es gab Versammlungen, in der ein Diakon oder der Pfarrer selbst neue Themen predigten. Versammlungen, in denen messerscharf das Predigen einiger Themen vorgegeben wurde. Versammlungen, zum Austausch von „Düften Zions“ – das sind Gedanken, Gefühle, Erlebnisse im Glauben, die man mit anderen teilen möchte. Versammlungen zum Predigen üben. Versammlungen für zukünftige guijokjans, also Gruppenleiter. (Da ein großes Wachstum geplant war, lag dem Pfarrer viel daran, möglichst schnell möglichst viele zuverlässige Gruppenleiter auszubilden. Ich sollte das auch werden.)
Es gab die sogenannte Zehn Zentner-Mission. Gott wollte, dass man mindestens zehn verlorene Kinder Gottes finde, damit man selbst ins Himmelreich gehen könne. Dies hat natürlich Druck ausgeübt. Jeder Gläubige wurde mit einem Zweig verglichen, der Früchte tragen sollte, also neue Geschwister finden sollte. Man sollte zu einem starken Ast werden. „An den Früchten sollt ihr sie erkennen“. Diejenigen Früchte, die nicht zum wahren Glauben fanden, also abfielen, waren schlechte Früchte. Schlechte Früchte bedeutete schlechter Zweig.Um auf der Straße gut predigen zu können und auch später neue Mitglieder lehren zu können, sollte man z. B. an Predigerversammlungen teilnehmen. Dazu gab es auch Prediger-Bücher. Das System sah vor, dass man das Thema auswendig lernte, erst vor drei normalen Mitgliedern predigte, dann vor dem Gruppenleiter und zum Schluss, wie in einer Art Prüfung, vor dem Pfarrer. Wenn man einen Grundstock von erstmals zehn Themen beherrscht, kann man auch anfangen, neue Mitglieder zu lehren. Ziel ist es später insgesamt 49 Themen zu beherrschen. Weil es in unserer Gemeinde aber noch nicht genug "Arbeiter" (Prediger) gab und relativ viele Mitglieder frisch getauft oder bisher wenig gläubig waren, war das System nicht ganz so streng. Als ich im Glauben gewachsen war, wurden mir zwei neue Schwestern anvertraut, die ich lehren sollte und mich geistig um sie kümmern sollte. Das war für mich das Schwierigste. Plötzlich sollten zwei Leben von mir abhängen. Wenn die eine einfach keine Lust hatte und sehr kritisch war und die andere sehr weltlich eingestellt war, hatte ich große Sorgen um meinen Glauben. Dass beide nicht so recht gediehen, musste an meinem mangelnden Glauben, meiner mangelnden Liebe zu Gott und meinen Schwestern, meiner Faulheit (nicht genug studiert) liegen. Selbst wenn ich also bis zur Erschöpfung noch spät abends 23 Uhr mit Selina zusammensaß, um ein Thema für den nächsten Tag unter ihrer Anleitung einzuüben, dann in der Bahn noch schnell etwas in der Bibel las, im Bett „Vaters Buch“ las, lange betete und in der Mittagspause noch mal Verse wiederholte... - mein Glaube war zu schwach, meine Anstrengung zu gering, denn: meine mir anvertraute Schwester hatte wieder einfach den Termin platzen lassen.
So oft es möglich war, sollte man predigen gehen. Aus Korea kamen sogenannte Kurz- und Langzeitmissionare, die den Grundstein für die ersten Gemeinden in Deutschland legen sollten. Kurzmissionszeiten gingen oft etwa einen Monat. Die neu angekommenen Koreaner standen jeden Morgen sehr früh auf und sollten von morgens bis abends predigen und Geschwister finden. Es gab abends Versammlungen zum Austausch von Düften Zions und zum Lernen der Vorträge und Verbessern der Sprache. Insgesamt war das Deutsch sehr holprig. Dennoch wurden so oft neue Geschwister gefunden. Die Lektion sollte sein, dass man nicht durch seine eigenen Fähigkeiten, sondern durch den Glauben an Gott Erfolg haben kann. Viele Menschen hörten nur aus Mitleid geduldig zu. Die Koreaner waren immer sympathisch und herzenswarm. Auch ohne fließendes Deutsch konnten sie daher Herzen erwärmen und neue Mitglieder finden. Dass einige aber oft gar nicht richtig wussten, was ihnen gerade erzählt wurde und warum sie jetzt plötzlich in der Gemeinde standen, ist eine andere Sache. Die Langzeitmissionare aus Korea haben oft ihr ganzes Leben dort aufgegeben. So sind drei- bis vierköpfige Familien nach Deutschland gekommen und auch viele junge Studenten. Die Langzeitmissionare sollten den Grundstock der Gemeinde legen bis die neuen einheimischen Geschwister herangereift waren. Auch die deutschen Geschwister haben, so es möglich war, an Kurzmissionarszeiten teilgenommen. So haben wir beispielsweise eine Gemeinde in Y-Stadt aufbauen wollen, die Geschwister in Z-Stadt oder W-Stadt unterstützt. Ich habe zweimal daran teilgenommen und fand es extrem anstrengend, so früh (fünf Uhr morgens) aufzustehen, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, auf sehr beengtem Raum untergebracht zu sein. Hauptzielgruppe waren Studenten. Wir haben oft an Unis gepredigt. Aber auch in großen Verkaufsstraßen, wo wir bevorzugt jüngere Leute angesprochen haben. Die Masche: „Hallo, wir kommen aus der Elohim-Akademie und haben eine Vortragsaufgabe. Könntest du mir kurz dabei helfen? Es dauert nur fünf Minuten…“
Je länger man Gemeindemitglied war, bzw. je stärker der Glaube wurde, desto mehr Aufgaben hat man in der Gemeinde übernommen. Das reichte vom Saubermachen des Tempels, Kochen und Spülen, über die Organisation und Ausgestaltung von Veranstaltungen bis hin zum Leiten von Gruppen. Einerseits schmälerte sich die eigene Erholungsphase; von Freizeit konnte man eh kaum noch sprechen. Nach Glauben der Gemeinde wäre jede zusätzliche Last in der Gemeinde auch Segen gewesen, der den persönlichen Glauben stärke und die Belohnung im Himmel wachsen ließe. An allen Orten und zu allen Gelegenheiten sollten wir uns um die Rettung der „noch verlorenen Kinder Gottes“ bemüht sein. Dabei galt – wie ich es empfunden habe – inoffiziell eher der Grundsatz „Der Zweck heiligt die Mittel“ als das Gebot „Du sollst nicht lügen“. Wenn bei einem offenen Bibelseminar nur ein Gast kam, taten einige von uns auch schon mal so, als wären sie auch Gäste, um den Schein zu wahren. Die anderen haben sich sehr einfühlsam um den Gast gekümmert.
Da Gottmutter in dieser Zeit leibhaftig auf der Erde erschienen sei, war es eines der wichtigsten Ziele, sie in Korea zu treffen. Nach über einem Jahr Gemeindezugehörigkeit habe ich das mit weiteren Geschwistern aus den Gemeinden Hamburg, Berlin, Essen, München und Wien getan. Zur Besuchszeit waren auch etwa 60 Mitglieder aus den USA, zehn aus England und fünf aus Frankreich dabei. Der gesamte Aufenthalt von zehn Tagen war bestens organisiert. Die Gemeinde besitzt eigene sehr schön eingerichtete Gästehäuser. Es gab immer tolles Essen und Süßigkeiten. Wir haben viele Ausflüge zu größeren Gemeinden in Korea unternommen. Außerdem haben wir an einem Festtag teilgenommen, an dem 10.000 Gemeindemitglieder zusammenkamen, dem Chor lauschten, ein Theaterstück ansahen, an Spielen teilnahmen. Auch wir, die Besucher aus Übersee, durften auf die Bühne und haben ein eingeprobtes Stück vorgesungen. Dies war bis dahin mein Traum – Gott direkt mit Gesang huldigen zu können. Gottmutter saß in einer oberen Kanzel. Wir hatten fast täglich auch Übungsstunden zum Predigen in Gruppen. Dabei und oft während des Essens kam uns Gottmutter besuchen oder sie war ganz und gar anwesend. Mir fällt es schwer, etwas über sie zu sagen. Was ich gespürt und gedacht habe, wenn ich sie sah. Ich hatte eigentlich stets Angst. Angst durch die damalige Gewissheit, dass sie mein Herz und meine Gedanken lesen kann, die doch nicht rein sind. Ich war ziemlich verzweifelt. Im Grunde hat mir der Besuch nicht, wie gehofft, stärkeren Glauben gegeben, sondern mich eingeschüchtert und an mir zweifeln lassen. Ich fühlte mich so schlecht und fürchtete, dass ich wie Judas sei.
Wenige Monate später konnte ich nicht mehr. Ich dachte, ich könne meine Aufgaben nicht recht erfüllen. Die Aufbruchstimmung und Emotionen im X-Städter Zion waren in die Höhe getrieben. Viele schienen vom Heiligen Geist ergriffen, predigten unermüdlich, brachten gute Früchte. Ich hingegen war erschöpft, mutlos und voller Selbstzweifel. An einem Sabbat zwischen den Gottesdiensten, als alle draußen predigen gehen wollten, versteckte ich mich auf der Toilette, um hinterher ungesehen nach Hause zu fliehen. Ich hatte lange darüber nachgedacht, auszusteigen. Aber ich konnte eigentlich nicht gehen. Was war mit meinen Verpflichtungen? Wer würde da so schnell einspringen können? Alle hatten selbst genug Arbeit. Was sollte außerdem mit den mir anvertrauten Schwestern werden? Sollten sie dann nicht geistlich sterben? Und ich selbst sollte auch in der Hölle schmoren. In der Bibel hieß es, wer einmal die Wahrheit erkannt hatte und ihr trotzdem den Rücken zukehrte, werde am meisten bestraft in der Hölle. Diese Gedanken hielten mich lang zurück, aber an diesem Samstag konnte ich trotzdem nicht mehr. Später besuchten mich Selina und eine weitere Schwester. Ich machte ihnen an der Haustür nicht auf, sie kamen durch einen Nachbarn rein. Sie warteten etwa eine Stunde lang an meiner Wohnungstür. Ich machte ihnen nicht auf und verhielt mich still, als wäre ich nicht da. Ich bekam an diesem Tag und den darauffolgenden viele versuchte Anrufe und SMS von Selina und anderen lieben Geschwistern, die sich Sorgen machten. Auch versuchte Besuche vor der Haustür. Weil ich mich versteckte, fing mich Selina an einem Abend nach meiner Arbeit ab. Mit Tränen umarmte sie mich und bat um ein Gespräch. Wir sprachen über die Sorgen, sie machte mir Mut, wir weinten und lachten. Sie überzeugte mich, wieder zur Gemeinde zu kommen. Aber es war nicht mehr wie früher, als ich sorglos und leichtfüßig in die Gemeinde ging. In einem Kreis zum Austausch von Düften Zions war mir alles zuwider. Ich konnte selbst keine feurigen Sätze sagen, weil ich doch schon im Glauben gebrochen war und hörte kleinlaut zu. Als die Leiterin der Runde mit glänzenden Augen davon sprach, wie wir bald ins Himmelreich gingen und alles Böse zerstört würde, wurde mir regelrecht schlecht. Sie gingen davon aus, spätestens 2012 das Weltende zu erreichen. Aber was war mit all den Freunden und Familie, die man dann hier zurückließ? Das war ein weiterer Punkt, der mir immer Sorgen bereitete. Ich versuchte auch meinen Eltern zu predigen, aber sie hörten ja kaum zu. Es war eine grausame Vorstellung, wenn sie verbrannt werden sollten.Ich war trotzig und schwach. Es gab ein langes Hin und Her. Ich flüchtete mich mehr oder weniger ins andere Extrem. War ich ehemals lieb und brav geworden und hatte allem Weltlichen abgeschworen, so flüchtete ich mich jetzt in die Arme eines kaum bekannten Mannes. Wir fuhren durch die Stadt, an den See, sahen fern, tranken Alkohol und gingen körperlichen Begierden nach. Das war mir zuvor alles verboten gewesen. Ich genoss das wiederkehrende Leben in mir. Fühlte mich aber böse und hatte ständige Todesangst. Wenn das Weltende wie ein Dieb in der Nacht käme, könnte ich nicht gerettet werden. Wenige Monate nach meiner Flucht hatte ich dann einen schlimmen Unfall mit den bisher schlimmsten Schmerzen meines Lebens. Für mich war absolut klar: Gott wollte mir eine Lektion erteilen. Wenn ich eine Vorstellung von den ewigen Höllenqualen bekommen könnte, dann würde ich wieder auf den rechten Weg kommen. Ich konnte aber trotzdem innerlich nicht mehr zurück in die Gemeinde. Also plagte mich noch schlimmer als zuvor die Angst vor dem ewigen Tod. Noch lange Zeit belasteten mich die Nachstellungen von Gemeindemitgliedern, meinen lieben Schwestern, die ich auch vermisste. Sie schrieben mir viele herzzerreißende Briefe, SMS und ließen mir auch Geschenke zukommen – wie einen Fotokalender von der „Familie“ in Zion oder Süßigkeiten. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und schrieb dem Pfarrer, er solle bitte Anweisung geben, dass ich nicht mehr kontaktiert werden solle. Für mich sei das Psychoterror. Es half.Freundschaften mit Gemeindemitgliedern außerhalb der Gemeinde weiter zu führen, war für mich innerlich nicht möglich. Selbst wenn ich diese schon vor der Gemeindezeit kannte. Irgendwann unterhielten wir uns nur noch über „geistige Themen“. Nach dem Austritt gab es daher keine gemeinsamen Gesprächsthemen mehr. Ich hätte ja kaum von meinen neuen weltlichen Abenteuern erzählen können. Und auch bei der Frage nach meinem Befinden konnte ich nicht ehrlich sein. Natürlich ging es mir in dieser Zeit eher schlecht. Aber ich wollte nicht, dass die Gemeindemitglieder dies wissen. Sie wären dann umso überzeugter gewesen, dass die Lösung nur in Gott und der Gemeinde zu finden sei. Auch wenn ich Zweifel an der Lehre hatte und mir Sorgen um Freunde innerhalb der Gemeinde machte, konnte ich sie nicht zur Umkehr bringen. Einerseits hatte ich selbst Angst: würde ich sie vom rechten Weg abbringen, würden sie auch sterben und ich doppelt bestraft. Andererseits wusste ich, dass sie sich von außen kaum bewegen lassen würden. Erst ein halbes Jahr nach meinem Unfall, nachdem ich mich in Gesprächen langsam alten Freunden anvertraut hatte, kam ich auf die Idee, dass mein Unfall gar nichts mit Gott zu tun haben müsste, sondern auch Zufall gewesen sein könnte. Ich fand sehr langsam, aber auch Schritt für Schritt Abstand von allem. Ich suchte im Internet nach Anhaltspunkten, ob die „Wahrheit“ doch fehlerhaft sei und damit nicht von Gott. Bis heute kann ich nicht sagen, dass alles purer Unsinn war. Vielleicht geht doch irgendwann demnächst noch die Welt unter und ich werde bitterböse bestraft. Aber was soll ich schon tun? Ich bin froh, wieder normal leben zu können.
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Die Gemeinschaft wurde vom Koreaner Ahnsanghong (auch Ahn Sang-hong, 1918 - 1985) gegründet. Aus einer buddhistischen Familie stammend, trat er 1947 einer koreanischen Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten bei. Er beschäftigte sich in seinen Lehren und Büchern mit dem „Zweiten Kommen“ Christi. 1964 gründete er eine Gemeinschaft mit einer vom adventistischen Glauben abweichenden Lehre. Nach seinem Tod und dem Ausbleiben der von ihm für das Jahr 1988 berechneten sichtbaren Wiederkunft Christi erfuhren seine Lehren weitere vom christlichen Glauben abweichende Veränderungen. (Studie/ Gandow) Geistliches Oberhaupt der Gemeinschaft ist seine Partnerin Chang Gil-Jah. Die organisatorische Leitung hat Hauptpastor Kim Joo-Cheol inne. Seine Lehrbücher begründen die heutige heilsnotwendige Bedeutung Ahnsanghong’s und Chang Gil-Jah’s. Die WMS spricht von 400 Gemeinden in Korea - weltweit etwa 2200 Gemeinden - und rechnet mit 1,7 Millionen Mitgliedern in über 150 Ländern. (Webseite: http://german.watv.org/intro/introduction.asp - 22.02.2013) In Europa entstanden erste Gemeinden um den Jahrtausendwechsel, in Deutschland befinden sich derzeit Gemeinden in Berlin, Hamburg, München und Essen. Darüber hinaus statten Missionierungsgruppen weiteren Städten Besuche ab. Mit konzertierten ehrenamtlichen Beteiligungen an beispielsweise Stadt-Putzaktionen versuchen sie sich pressewirksam zu präsentieren. (WAZ-Artikel „Aggressive Mission“ 21.03.2012. Darin zur Beteiligung der WMS am Stadtputz–Tag im Rahmen ihrer weltweiten Reinigungskampagnen zu Passah)Die Lehre geht von zunächst adventistisch geprägten Vorstellungen aus. Deutlich wird dies etwa an der Sabbathlehre, derzufolge nach biblischer (und jüdischer) Tradition der Samstag geheiligt werden soll. Hierin gründet die Ablehnung aller Kirchen, welche Sonntagsgottesdienste feiern. Sie würden dadurch bereits ihren Abfall von der ursprünglichen Lehre dokumentieren. Weiterhin feierten sie biblisch nicht belegbare – und damit also „heidnische“ – Feste wie Weihnachten und Ostern. Die WMS orientiert sich dagegen am jüdischen Festalender. Insbesondere die Teilnahme am Passahfest wird als unabdingbar heilsnotwendig angesehen. Die Wiederkunft Christi sei bereits in Ahnsanghong erfolgt. Er habe das „neubündische“ Passahfest zur Errettung der Gemeinde wieder eingesetzt. Die Gemeinde sei mit dem jährlichen Feiern des Passahmahles auf das nun erwartete dritte Kommen Christi zum Ende der Zeiten vorbereitet. (Predigten) In der Gemeinschaft wurde dies teilweise - wie auch im Erfahrungsbericht deutlich wird - bereits für 2012 erwartet. Nach Schilderung eines weiteren ehemaligen Mitglieds rechnete man damit, dass ein apokalyptischer nuklearer Brand nur die wahren Gläubigen hätte überleben lassen. Eine schriftliche Lehrgrundlage gibt es dazu allerdings nicht.Große Bedeutung hat die neu etablierte Lehre von Vater- und Muttergott, nach welcher sich Gott als Vater in Ahnsanghong und als Mutter in Chang Gil-Jah inkarnierte. Laut biblischem Schöpfungsbericht schuf Gott ja den Menschen nach seinem Bilde als Mann und Frau. Neben dem dreieinigen Gott als Vater, Sohn und heiliger Geist steht daher auch Gottmutter. Chang Gil-Jah steht als Gottmutter für das Leben spendende Prinzip und mit Bezug auf den Galaterbrief (4,17) auch für die wahre Heimat der Menschen, das himmlische Jerusalem. Aus der himmlischen Heimat kämen der Lehre nach auch die präexistenten Seelen, die als Inkarnationen hier auf Erden (als Menschen) eine Strafe abbüßen müssten, welche die Seelen durch Auflehnung gegen Gott auf sich gezogen hätten. (Predigten)Weitere Merkmale sind tägliche Gebetszeiten, zu denen die Gebete im Namen von Vater Ahnsanghong gesprochen werden. (Gebet) Die Abgabe des „Zehnten“ (den biblisch begründeten zehnten Teil des Einkommens als Spende für die Gemeinde) gilt als heilsnotwendig. Ein äußerlich markantes Merkmal ist der Kopfschleier der Frau beim Gottesdienst. Trotz der deutlichen Abweichungen von einem ökumenisch christlichen Konsens versteht sich die WMS wie manch andere synkretistische Neureligion selbst als die wahre Kirche, welche der ursprünglichen Lehre folgt. Die missionarische Werbung verschleiert diese Unterschiede anfangs gezielt, was deutlich unseriös wirkt. Die öfter verwendete „Masche“ mit der Bitte um Hilfe, die gezielte Missachtung selbst angegebener Zeitrahmen und die Bindung einfordernde schnelle Taufe offenbaren Methoden, die offengelegt und kritisiert gehören. Das endzeitliche apokalyptische Bedrohungsszenario kennzeichnet dagegen etliche Endzeitgemeinden. Die Liste der verstrichenen und noch ausstehenden Weltuntergänge ist lang.
Der Erfahrungsbericht beschreibt anschaulich verschiedene Stationen eines Weges in eine restriktive Glaubensgemeinschaft. Waren anfangs noch Zweifel und auch Unbehagen deutlich, zeigten bald die enorme Aufmerksamkeit um die neue Schwester Wirkung („Love-Bombing“). Schließlich überwog die Faszination für die „logische“ Lehre, die Erklärung für die Missstände der Welt und die nahe Erlösung. Die angebotenen „Erleichterungen“ betrafen nicht das interne Geschehen, sondern die sukzessive Ablösung von der Außenwelt. Die „rettende Heilslehre“ und der Hinweis auf das bevorstehende Weltende verstärkten die Bereitschaft, sich über die eigenen Grenzen hinweg einzubringen. Andererseits verstärkten sie die typischerweise auftretenden Selbstzweifel und Schuldgefühle in solch rigiden Systemen. Die Forderung nach genauer Einhaltung der Regeln erzwingt eine zunehmende äußerliche Abgrenzung von anderen Menschen außerhalb der Gemeinschaft. Die Angst vor dem Heilsverlust und die Dämonisierung anderer Vorstellungen führen auch zur inneren Distanzierung von der Außenwelt. Die Orientierung am Gruppenideal lässt hingegen kaum noch eine eigenständige Identität innerhalb der Gemeinschaft zu. Ehemalige Mitglieder auch anderer Gruppen fragen sich nach der Distanzierung von einer Gemeinschaft oft noch einige Zeit, ob sie nun verloren sind, ob sie vielleicht doch einen Fehler gemacht haben. In der Regel wurden düstere Prognosen mit dem Schicksal von „Abgefallenen“ verbunden. Hatte jemand in der Gemeinschaft zunächst Halt gefunden und über die intensive Mitarbeit andere soziale Bezüge verloren, droht dem „Aussteiger“ zunächst eine soziale Isolation. Gleichzeitig steht oft mehr Zeit zur Verfügung, da die zeitliche Strukturierung und Reglementierung sowie die Aufforderung zum Engagement für die Gemeinschaft wegfallen. Wird nach einem „Ausstieg“ einerseits eine Entlastung und Befreiung vom Druck der Gemeinschaft erlebt, findet mancher sich zugleich in einem „leeren Raum“ wieder oder fühlt sich wie in einer „Parallelwelt“. Die Möglichkeit und Notwendigkeit sich eigene Gedanken zu machen wird nicht selten als ein Gefühl des „Wiedererwachens“ beschrieben. Durch die plötzlichen Veränderungen drohen aber auch depressive Phasen. Wichtig sind nun Erfahrungen „normalen Lebens“, die Feststellung, dass man offensichtlich nicht verloren ist. Das Jahr 2012 ging ohne Weltuntergang vorüber. Als wertvoll erweisen sich wertschätzende Gespräche, die dem Betroffenen nicht zusätzlich Schuld geben für seine Erfahrungen, sondern den Blick auf die eigenen Ressourcen stärken. So können übernommene Glaubenssätze kritisch und selbstbestimmt hinterfragt werden. Angehörige oder alte Freunde fühlen sich hiervon leicht überfordert oder können ein einfühlendes Verständnis schwer aufbringen. Zumal eigene Verletzungen durch den vorherigen Kontaktabbruch und Schuldgefühle vorliegen können. Daher sind beraterische Gespräche für eine Aufarbeitung oftmals hilfreich. Die Erfahrung, sich in seinen idealistischen Wünschen und Bemühungen tief getäuscht zu sehen, kann sehr verletzend und verunsichernd sein. Eine Beratung muss daher darauf ausgerichtet sein, sehr behutsam zunächst Vertrauen aufzubauen. Ein Wissen um vereinnahmende ideologische Strukturen allgemein und idealerweise der Themen und Besonderheiten einer Gruppierung im Speziellen ist hierbei sehr förderlich. Ziel einer Beratung ist die Hilfe zur sinnvollen Integration der gemachten Erfahrungen in ein neu zu findendes oder aktualisiertes Selbstbild. Ein tieferes Verständnis für die eigenen Wünsche und Ängste, die während der Zeit angesprochen wurden, hilft dem Klienten, selbstbestimmter eigene Wertvorstellungen zu entwickeln. Dadurch wird er ermutigt für die Beantwortung der eigenen Bedürfnisse eigenverantwortlich Sorge zu tragen und mit gestärktem Selbstvertrauen neue Erfahrungen zu wagen. Das Vertrauen auf die eigene Wahrnehmung und die Achtung der Grenzen ermächtigt, rechtzeitig auf beispielsweise übergriffige missionarische Strategien zu reagieren oder „alles erklärenden“ Heilslehren zu misstrauen.„Hast Du fünf Minuten Zeit für ein Gespräch über Gott?“ - „Netter Versuch. Guten Tag noch.“
Gandow, Thomas: „Weltmissionsgemeinschaft der Church of God (WMS) – Elohisten“In „Berliner Dialog“ Nr. 30, Jahrgang 11, 2010, Themenheft: Versiegelt und entrückt
Studie über eine einzigartige Religionsgemeinschaft. Gemeinde Gottes des Weltmissionsvereins. Leute, die an Gottmutter glauben. Hg. Gemeinde Gottes des Weltmissionsvereins. („wortgetreue Übersetzung aus der koreanischen
Monatszeitschrift Chosun 3/2009“)
Die Predigten, Hg. Elohim-Akademie, o.J.
Wahrheitspredigten I, Hg. Elohim-Akademie, o.J.
Gebet unserer Hoffnung, Handzettel mit koreanischem Text, Lautumschrift, dt. Übersetzung.
Internetseite der Gemeinschaft: http://german.watv.org/index.asp (letzter Zugriff: 22.02.2013)