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Neues Schenkkreis-Urteil des BGH

Schenkkreise (auch Herzkreis, Tafelrunde, Zukunftsprojekt Deutschland, Spiel des Lebens oder Sterntaler genannt) haben in den letzten Jahren in Europa eine große Popularität erfahren. Es war vor allem die Hoffnung auf einen ordentlichen Gewinn, die die Menschen zu einem Beitritt in einen Schenkkreis bewegte. Doch viele Mitglieder warten immer noch auf den erhofften Geldsegen.

Nach den Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.11.2005 1 haben enttäuschte MitspielerInnen jetzt die Möglichkeit, ihren Einsatz zurück zu bekommen. Aber zunächst gibt es einen kurzen Überblick über die Funktionsweise von Schenkkreisen. Danach wird die neue Rechtslage zu diesem Thema erläutert.

Wie funktionieren Schenkkreise?

Bei Schenkkreisen handelt es sich um ein Pyramiden-System. An der Spitze der Pyramide steht der/die so genannte EmpfängerIn. In der zweiten Ebene (Warteposition) befinden sich zwei Personen. Darunter ist dann eine weitere Warteebene mit vier Personen. Diese müssen insgesamt acht EinsteigerInnen finden, die bereit sind, den/die EmpfängerIn an der Spitze mit einem festgelegten Geldbetrag zu "beschenken".

Wenn die untere Zahlungsebene mit den acht "Schenkenden" komplett ist, scheidet der/die "Beschenkte" an der Spitze aus dem System aus. Die Pyramide teilt sich in zwei neue Pyramiden, die Mitglieder steigen jeweils in die nächste Ebene auf, und die Suche nach Zahlungswilligen beginnt erneut. Je länger solche Schenkkreise (besonders in einer Region) laufen, desto problematischer werden sie. Denn irgendwann bleiben die zahlungswilligen NeueinsteigerInnen und damit auch der erwartete Geldsegen aus. Die noch verbliebenen MitspielerInnen verlieren ihren Einsatz. Die Verlustquote bei solchen Schenkkreisen liegt bei fortgeschrittenem Verlauf erwiesenermaßen bei 87,5 %. Detaillierte Informationen zu der Funktionsweise von Schenkkreisen können Sie dem Artikel von Christoph Grotepass "Kettenbrief und Schenkkreis" aus unserem Jahresbericht 2003 entnehmen.

Welche Rechte haben die "Opfer"?

Da im Endeffekt 87,5% der TeilnehmerInnen ihr Geld verlieren müssen, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Möglichkeiten. Können sie ihren Einsatz zurückverlangen? Bisher kam es immer auf die Umstände des Einzelfalls an, ob ein Rückzahlungsanspruch bestand oder nicht. Diese Unsicherheit ist durch das BGH-Urteil ausgeräumt worden.

Bei allen Gerichten herrschte schon vor dieser Entscheidung Einigkeit, dass Schenkkreise sittenwidrig sind. Denn Sittenwidrigkeit liegt generell bei allen Spielsystemen vor, die darauf abzielen, die Leichtgläubigkeit, Spielleidenschaft oder Unerfahrenheit der TeilnehmerInnen auszunutzen und sie hierdurch zur Zahlung des Spieleinsatzes zu bewegen. Unerheblich ist in solchen Fällen, ob und in welcher Weise MitspielerInnen konkret getäuscht oder irregeführt worden sind. Schenkkreise sind nach der Überzeugung der Richter darauf angelegt, den ersten MitspielerInnen einen sicheren Gewinn zu verschaffen, während die große Masse der späteren TeilnehmerInnen keine Chance auf einen Gewinn habe und ihren Einsatz verlieren müsse.2

Diese Sittenwidrigkeit führt regelmäßig dazu, dass die Verträge über die Schenkung des Einsatzes nichtig sind.3 Grundsätzlich gewährt diese Nichtigkeitsfolge den "Schenkenden" einen Rückzahlungsanspruch.4 Dieser Rückzahlungsanspruch konnte jedoch bisher im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn der/die "Schenkende" Kenntnis von den Umständen hatte, die der Sittenwidrigkeit zugrunde lagen.5 Ein solcher Ausschluss des Rückzahlungsanspruchs wurde unter anderem in folgenden Fällen bejaht:

  • Wenn der Spielmodus und die Spielregeln vorgestellt wurden
  • Wenn eine Schautafel der Schenkpyramide gezeigt wurde

Auf diese Rechtsprechung haben sich die BetreiberInnen von Schenkkreisen natürlich eingestellt, so dass sie NeueinsteigerInnen unterschreiben ließen, sie seien über den Spielmodus und die Risiken aufgeklärt worden. Damit wurde es schwieriger, einen Rückforderungsanspruch rechtlich durchzusetzen.

Dem hat der BGH mit seinem Schenkkreis-Urteil jetzt einen Riegel vorgeschoben. Er hat die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB bei Schenkkreisen ausgeschlossen. Das hat zur Folge, dass der Rückzahlungsanspruch des Schenkenden aus diesem Grund nicht ausgeschlossen werden darf.

Die Richter begründen diese Ausnahme von § 817 Satz 2 BGB mit dem Schutzzweck, der sich aus der Sittenwidrigkeit der Schenkkreise ergibt. Die Schenkkreise zielen allein darauf ab, zugunsten einiger weniger MitspielerInnen leichtgläubige und unerfahrene Personen auszunutzen und sie zur Zahlung des Einsatzes zu bewegen. Ein solches sittenwidriges Verhalten wird dadurch sanktioniert, dass der zugrunde liegende Vertrag nichtig ist und das Geleistete zurückgefordert werden kann.6 7 Genau dieses Rückforderungsrecht schließt § 817 Satz 2 BGB eigentlich aus. Das hätte zur Folge, dass die InitiatorInnen solch sittenwidriger Schenkkreise zum Weitermachen geradezu eingeladen werden würden, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder aufgrund von § 817 Satz 2 BGB einfach behalten dürften. Daher muss § 817 Satz 2 BGB hinter dem Schutzzweck von § 138 Abs. 1 BGB (Nichtigkeit aufgrund von Sittenwidrigkeit) zurücktreten und darf nicht angewendet werden.

Sollten Sie auch zu den MitspielerInnen eines Schenkkreises gehören, die noch vergeblich auf den Gewinn warten, können Sie sich gerne in unserer Einrichtung melden. Wir bieten Ihnen die Möglichkeit einer kostenlosen Rechtsberatung zu diesem Thema an. Fordern Sie ihren Einsatz zurück, und helfen Sie so, dieses sittenwidrige System zu bekämpfen.

 

Anmerkungen:

1    Aktenzeichen: BGH III ZR 72/05 und III ZR 73/05
2    BGH NJW (Neue Juristische Wochenschrift)1997, S. 2314 f.
3    Gem. § 138 Abs. 1 BGB
4    Gem. § 812 Abs. 1, Satz 1, 1. Alt. BGB
5    Gem. § 817 Satz 2 BGB
6    Gem. § 138 Absatz 1 BGB
7    BGH III ZR 72/05 und III ZR 73/05