Beratung und Information zu neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen
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Unseriöse (Online-) Coaching-Angebote für junge Menschen - Vorsicht vor Scharlatanen!

Coaching-Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene sind ein schnell wachsender Markt. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten, die auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe abge­stimmt sind. Sie nennen sich Business-Coaching, Beziehungs-Coaching, Life-Coaching oder Spirituelles Coaching. Im besten Fall können Coaching-Angebote junge Menschen unter­stüt­zen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, Herausforderungen zu bewältigen oder eine Hilfe­stellung bei der beruflichen Orientierung geben. Leider gibt es aber auch sehr viele unseriöse Angebote auf dem unübersichtlichen Coaching-Markt. Selbsternannte Coaches versprechen Erfolg, Reichtum, Sinn im Leben, Glück und Erleuchtung. Coaching-Angebote boomen seit vielen Jahren, sind oft kostspielig und halten nicht immer, was sie versprechen. Das Sekten-Info NRW e.V. machte bereits in mehreren Fachartikeln auf die damit verbundenen Gefahren aufmerksam.[1]

Mit der zunehmenden Digitalisierung hat sich der Lebenshilfemarkt stark verändert. Seit eini­gen Jahren gibt es eine große Zunahme an Online-Coaching-Angeboten und damit erhöhte sich auch die Anzahl der schwarzen Schafe in diesem Bereich. Zu diesem rasanten Wachstum hat sicherlich die Coronazeit beigetragen, in der sich immer mehr Coaches (zwangsweise) auf Online-Angebote spezialisiert haben. Gleichzeitig saßen Student*innen und Schüler*innen während des Lockdowns über Monate zu Hause im Homeschooling ohne persönliche Außen­kontakte und ohne die gewohnten Freizeitbeschäftigungen. Die im Internet verbrachte Zeit stieg rasant an. In den Beratungen mit Betroffenen und Angehörigen hören wir oft, dass die Beschäftigung mit Online-Coaching-Angeboten zu diesem Zeitpunkt ihren Anfang nahm. Überforderung, Langeweile, Einsamkeit und Sorgen führten bei vielen jungen Menschen in dieser Zeit zu psychischen Problemen wie Angststörungen und depressiven Erkrankungen. Demgegenüber wurde ihnen im Netz ein anscheinend sorgenfreies und glückliches Leben vor­gelebt. Gewor­ben wird mit Aussagen wie: „Erschaffe dich neu - Das Leben von 10 Millionen Menschen wird positiv beeinflusst!“, „In neun Monaten zu großartiger Veränderung. Es ist Zeit, deine Grenzen zu sprengen, folge deiner Vision!“, „Die Zukunft liegt in dir. Es ist Zeit, deine Einzigartigkeit und deine wildesten Träume zu leben!“, oder „Löse die 11 größten energe­tischen Blockaden gegen die Fülle in deinem Leben!“.

Im letzten Jahr hatten wir in unserer Beratungsstelle gehäuft Beratungsanfragen in Zusam­menhang mit (Online-) Coaching-Angeboten, die vor allem Jugendliche und junge Erwachsene ansprechen.

 

Was ist Coaching?

Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Sport. Seit Ende der 1980er Jahre wurde Coaching immer mehr auch in der Wirtschaft eingesetzt, zur Verbesserung von Managementkompe­ten­zen und der Führungskräfteentwicklung. So lautet die Definition des Deutschen Bundes­verbandes für Coaching e.V.:       

„Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- / Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen / Organisationen“. [2]

 

Inzwischen wird Coaching aber auch in vielen anderen Bereichen des Lebens eingesetzt. Neben den beruflichen Themen geht es im Coaching auch um Persönlichkeitsentwicklung, um Konflikte in Beziehungen oder allgemeine Motivationsfragen. Dementsprechend lautet eine weitergefasste Definition:

„Coaching ist eine individuelle und zeitlich begrenzte Beratung und Begleitung von Menschen. In der klassischen Definition liefert das Coaching keine direkten Lösungsvorschläge, sondern regt im Prozess seinen Klienten dazu an, Ziele zu hinterfragen oder zu setzen, sowie eigene Lösungen zu entwickeln.“ [3]

 

Coaching ist eine Hilfe zur Selbsthilfe auf Augenhöhe. Der Schwerpunkt liegt auf einem inter­aktiv entwickelten Lösungsprozess.

  

Wirksamkeit von Coaching und Wirkfaktoren

Studien belegen die Wirksamkeit von Coaching. In fünf Metaanalysen mit insgesamt 47 Studien wurde eine verbesserte Selbstwirksamkeit und Achtsamkeit, eine Reduzierung von Stress, Burnout und Fehlzeiten, ein höherer Zielerreichungsgrad und eine hohe Arbeitszufrie­denheit festgestellt.[4]

Hinsichtlich der Wirkfaktoren stellte sich heraus, dass vor allem die Coach-Klient*in-Beziehung signifikanten Einfluss auf den Erfolg des Coachings hat. Dieses Phänomen ist auch aus der Psychotherapieforschung bekannt. Als weitere Wirkfaktoren werden genannt: Zielklärung und -konkretisierung, Ressourcenaktivierung, Methodenvielfalt, Fragenstellen, Zuhören und Feed­back, sowie Empathie, Wertschätzung und emotionale Unterstützung.[5]

Zeigte sich in der Gesamtschau der Studien, dass Coaching wirksam ist, so gibt es doch große Qualitätsunterschiede bei den Coaching-Angeboten. Der Begriff Coach wird inzwischen infla­tionär benutzt. Das liegt sicherlich auch daran, dass sich in Deutschland jeder Coach nennen darf, da der Beruf gesetzlich nicht geschützt ist und es keine einheitlichen Qualitätsstandards gibt. Das soll sich aber ändern. Die größten Coaching-Verbände in Deutschland haben mit dem Roundtable Coaching e.V. (RTC) eine Instanz ins Leben gerufen, die Coaching als Profession mit hochwertigen Qualitätsstandards entwickeln möchte.[6]

Es wurden Qualitätskriterien eingeführt, wie Voraussetzungen hinsichtlich der:

·         fachlichen Qualifikation (wirtschaftliches und psychologisches Wissen, Erfahrung/ Spezialisierung, Feldkompetenz),

·         Methodenkompetenz (Transparenz und Erklärbarkeit der Methoden, Kommunikations­fähigkeit, Handlungskompetenz) und

·         Ausbildungsweg (Studium, Beraterausbildung, Feldkompetenz).

Weiterhin gibt es Ethikrichtlinien, mit denen die Reflexion des eigenen beruflichen Handelns des Coaches gefördert werden soll und die Klient*innen vor unethischem Handeln von Coaches geschützt werden sollen. Die darin enthalten Bestimmungen schließen z. B. eine Bezugnahme auf sektiererische oder esoterische Praktiken ausdrücklich aus.[7]

 

Unseriöse Business-Coaching-Angebote

Im letzten Jahr hatten wir gehäuft Anfragen in Zusammenhang mit unseriösen Business- Coaching-Angeboten. In den uns geschilderten Fällen sollten die Coachees (das sind die Gecoachten) für viel Geld darin unterstützt werden, ein eigenes Business aufzubauen. Auf Social-Media-Kanälen wie YouTube, Instagram oder TicToc zeigen sich die Anbieter*innen in Videos und auf Fotos in luxuriösen Autos, auf Yachten oder in Villen am Pool in Dubai oder auf Mallorca. In persönlich wirkenden Ansprachen werden Erfolgstories berichtet und es werden Versprechungen gemacht, wie man dem Alltagsfrust, dem Hamsterrad der „unfreien Lohnarbeit“, dem langweiligen Leben entkommen kann, um ein freies, reiches und glückliches Leben zu erlangen.

Hier einige Beispiele aus unserer Beratungsstelle:

Im Sekten-Info ruft eine verzweifelte Mutter an. Ihr 20-jähriger Sohn war seinem Coach nach Dubai gefolgt. Der Sohn sei Individualist und habe wenig soziale Kontakte. Schon als 14-jähriger habe er im Internet Geld verdient. Von seinem Coach, der 1000 Euro pro Stunde kostet, sei er bestärkt worden, nach dem Abitur in seine Nähe zu kommen. Persönlich könne er dann von ihm lernen, wie er in kurzer Zeit Millionär werden könne. Zunächst postete der junge Mann vielversprechende Fotos. Nach einigen Monaten bat er seine Eltern um Geld, das ihm ausgegangen war. Den teuren Lebensstil dort konnte er sich nicht leisten. Der Erfolg blieb aus. Aufgeben wollte er allerdings nicht. Von dem Coach habe er gelernt, auch mit Niederlagen umgehen zu können. Wenn er sich noch mehr anstrengen würde, werde er sein Ziel erreichen.

In einem anderen Beratungsfall wurde ein 18-jähriger Schüler von einem Freund geworben, einen Coachingvertrag für 185 Dollar im Monat abzuschließen. Für diesen Betrag würde einem das „Traden“ beigebracht, den kurzfristigen Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder Währun­gen. Hierbei könne man schnell sehr reich werden. Zusätzlich zu den Online-Seminaren finden auch Präsenzveranstaltungen statt. In großen Hallen stehen Menschen auf der Bühne und berichten von ihren Erfolgen und Reichtümern. In Videos sieht man die euphorische Stimmung bei diesen Veranstaltungen. In kleineren Seminaren wird gelehrt, Reichtum zu visualisieren und sich nur mit Menschen zu umgeben, die positive Energien ausstrahlen. Vor allem soll man sich vor kritischen Stimmen in Acht nehmen und notfalls lieber den Kontakt abbrechen.

Eine junge Frau meldet sich in der Beratungsstelle. Sie war geschockt von ihren Erlebnissen bei einem Coaching-Seminar für 5000 Euro. Auch hier ging es um die Vermittlung von Fertig­keiten, um ein eigenes Business aufzubauen. An einem geheimnisvoll angekündigten Überra­schungsabend seien die Teilnehmer*innen gedrängt worden, sich ihren Ängsten zu stellen und über ihre Grenzen zu gehen. So habe sich eine stark übergewichtige Frau nackt auf der Bühne präsentiert. Der Eindruck der Klientin war, dass es sich vor allem um eine Verkaufsveranstal­tung gehandelt habe. In euphorisierter Stimmung hätten sehr viele Menschen einen Vertrag unterzeichnet für ein weiteres Seminar: Kosten 10.000 Euro.

Das eigene (Online-) Business, so wird versprochen, könne dann z. B. darin bestehen, als sogenannter „Speaker“ auf Bühnen zu stehen und zu performen, einen Social-Media-Kanal als Influencer*in aufzubauen oder selbst Coachings anzubieten. Häufig handelt es sich bei den Coaching-Angeboten nicht um persönliche Beratungen, sondern um das Ansehen von vorgefertigten Videos mit oftmals recht allgemein gehaltenen Inhalten. Kommt es dann doch zu persönlichen Coachinggesprächen, so sind diese in der Regel völlig überteuert.

Viele dieser selbsternannten Coaches erzählen in Büchern, Videos oder auf der Bühne von ihrer schweren Kindheit, von Außenseiter*innenrollen, langweiligen Jobs und unangenehmen Chefs. Aus eigener Kraft oder mit Hilfe von Coaching-Angeboten hätten sie es zu Erfolg und Reichtum gebracht. Nun könnten sie ihr freies Leben an den schönsten Orten der Welt genie­ßen. Charismatisch auftretende Menschen stehen vor tausenden jubelnden Menschen und erzeugen eine emotionsaufgeladene und euphorische Stimmung. Viele Jugendliche und junge Erwachsene in der Identitätsfindung und auf der Suche nach ihrem Platz im Leben lassen sich mitreißen und begeistern. Der hohe Preis, eine Coaching-Begleitung über drei Monate kann sogar 50.000 Euro kosten und wird mit dem Gewinnversprechen gerechtfertigt, später selbst Millionen verdienen zu können. Die Abzocker*innen spielen mit den Träumen und Sehnsüch­ten der jungen Menschen. Es gibt Treffen in WhatsApp- und Facebookgruppen, gegenseitige Motivation und Unterstützung für Neueinsteiger*innen. Die jungen Menschen sehen sich als Teil einer exklusiven und privilegierten Gruppe. Wenn man es wirklich will, so wird suggeriert, kann es jede/r schaffen. Bleibt der Erfolg aus, so hat man sich noch nicht genügend ange­strengt. In den Beratungen wurde uns geschildert, dass es durch die Coachings häufig zu Persönlichkeitsveränderungen kommt. Die jungen Menschen verzichten auf Schulabschlüsse, universitäre oder betriebliche Ausbildungen. Sie vertrauen nur noch ihren Coaches und setzen auf ihr Business. Sicherlich gibt es im Internet junge Menschen, die sehr reich geworden sind. Dass es tatsächlich aber nur sehr Wenige schaffen, sich damit eine langfristige Existenz aufzubauen, wird verdrängt. Wenn die besorgten Angehörigen Zweifel anmelden und Kritik äußern, kann es zu Kontaktabbrüchen kommen. Es wird von den Coaches geraten, negative Energien nicht an sich heranzulassen.

 

Warnungen vor Online-Finanzakademien

Mehrere Anfragen hatten wir in Zusammenhang mit Coaching-Angeboten in Online-Finanz­akademien. Die Anbieter*innen haben oft junge Menschen im Visier. In exklusiven Lernpro­grammen werde einem beigebracht, wie man erfolgreich Geld verdient, z. B. durch den Handel mit Währungen oder Kryptowerten (virtuelle Währungen). Schneller Reichtum und ein luxuriö­ser Lebensstil werden versprochen. Gegen eine monatliche Gebühr werden Online-Kurse, Lehrvideos, Apps, Workshops und auch persönliche Treffen angeboten. Die Bundeanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) warnt vor solchen Angeboten: „Dabei ist äußerst frag­lich, ob sich der finanzielle Erfolg tatsächlich einstellt. Im Gegenteil: Es kann durchaus passie­ren, dass man Verluste macht“.[8] Von Experten wird gewarnt, dass der Handel mit Währungen selbst für erfahrene Anleger*innen sehr schwierig sei.

Stiftung Warentest warnt explizit vor der Online-Finanzakademie IM Mastery Academy. Neben den Trainings für monatlich 274,95 US-Dollar bietet sie ein mehrstufiges Vergütungssystem für das Anwerben neuer Kund*innen an. Die belgische Finanzaufsicht stellte Merkmale eines Pyramidensystems fest.[9]

 

Spirituelles Coaching – Suche nach Sinn

Inzwischen gibt es neben dem beruflichen Coaching auch viele andere Angebote, wie Life-Coaching, Gesundheitscoaching oder Glückscoaching. In unserer Beratungsstelle hatten wir viele Anfragen zum sogenannten spirituellen Coaching. Dabei geht es um die Sehnsucht nach Sinn und spirituellem Wachstum. Folgten noch in den 80er und 90er Jahren spirituell Suchende ihrem Guru in einen Ashram nach Indien, so folgen heutige junge Menschen ihren spirituellen Coaches oder Influencer*innen auf Instagram, YouTube oder TicToc. Je weniger Anbindung an die großen Kirchen besteht, desto mehr verlagern sich spirituelle Sehnsüchte auf andere Quellen der Spiritualität. In Online-Seminaren, Podcasts und Videos verbreiten spirituelle Coaches und Influencer*innen ihre Botschaften. Während der Krieg in der Ukraine, die Corona-Pandemie und der Klimawandel viele Menschen verunsichern und belasten, wird hier eine heile Welt versprochen. Es wird beschworen, sich auf sich selbst zu besinnen. Die Kraft zum Glücklichsein liege in uns selbst. Wir müssten nur die eigene Schöpferkraft erken­nen. Leider kommt es auch hier zu gefährlichen Auswüchsen und besorgniserregenden Angeboten. Hier wieder einige Fälle aus unserer Beratungsstelle:

Eine Klientin fühlte sich angesprochen von einem Coach, der Frauen helfen möchte, nach einer „toxischen“ Beziehung wieder in ihre Kraft zu kommen. Pro Stunde bezahlte sie dafür 800 Euro. Es wurde ihr versprochen, innerhalb eines halben Jahres von ihrer psychischen Krankheit geheilt zu werden. Gearbeitet wurde mit Körperbewegungen, wobei sich der Körper unbewusst nach vorne neigen könne, was „ja“ bedeute oder nach hinten, was „nein“ bedeute. In einer psychotischen Phase wurde sie beruhigt, dass was sie da höre, sei nur ihr „Inneres Kind“. Mit Hilfe eines Pendels wurde entschieden, welche Medikamente sie weglassen sollte.

Eine andere Klientin berichtete von einem spirituellen Coach, der in Südamerika ansässig ist und eine Anhänger*innenschaft um sich sammelt. Das Leben in Europa sei schlecht und gefährlich, es sei nicht ratsam dort zu bleiben. Wer geimpft sei, dem sei nicht mehr zu helfen und dürfe von ihr keine Hilfe erwarten. Auch die Klientin selbst hatte kurze Zeit dort gelebt. Das Leben dort sei sehr stark reglementiert. Es wird vorgeben, welche Nahrung man zu sich nehmen dürfe und auch die Kleidung sei festgelegt.

Aufgrund traumatischer Erlebnisse mit einem sogenannten Heilcoach meldet sich eine junge Frau in der Beratungsstelle. Dort sei ihr suggeriert worden, sie sei eine außerirdische Prin­zessin, die gegen Aliens kämpfen müsse, um die Welt zu retten. Diese Aliens würden ihre Gedanken steuern. In Hypnose habe sie Kontakt zu ihrem höheren Selbst aufgenommen. Nach einem Jahr mit täglichen Kontakten zu ihrem Coach, sei bei ihr eine Psychose aufgebro­chen. Noch heute sei sie verunsichert, ob ihre Gedanken nicht doch von außen gesteuert würden.

 

Was macht Spirituelles Coaching gefährlich?

Die geschilderten Beispiele aus unserer Beratungspraxis haben mit seriösem Coaching nichts gemeinsam. Letztendlich handelt es sich um esoterische Angebote. Seit einigen Jahren gibt es den Trend, dass sich auch Heiler*innen und andere spirituelle Anbieter*innen als Coaches bezeichnen. Möglicherweise ist das der Versuch, sich ein professionelleres und moderneres Image zu geben. Viele dieser spirituellen Coaches überschreiten ihre Kompetenzen und maßen sich an, auch psychische Krankheiten heilen zu können. Dazu sind sie allerdings nicht befugt. Die Ausübung von Heilkunde ist streng geregelt. Nur approbierte psychologische und ärztliche Psychotherapeut*innen dürfen psychische Krankheiten heilen. Dazu bedarf es eines Studiums und einer fünfjährigen Psychotherapieausbildung. Darüber verfügen diese Coaches aber in der Regel nicht. Somit können sie sich sogar strafbar machen, wenn sie Diagnosen stellen oder eigenmächtig Medikamente absetzen. Eine Ausnahmeregelung gibt es nur für Heilpraktiker*innen.[10]

Trance- und Hypnosetechniken sowie phantasiereiche Imaginationen und Suggestionen können zu einer psychischen Destabilisierung führen und schlimmstenfalls - wie im oben geschilderten Fall - eine Psychose auslösen. Lange Beziehungen zu einem Coach können zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Dann werden keine eigenen Entscheidungen mehr getroffen und das Leben ganz in die Hände dieser Person gegeben. Es kommt zu Persönlich­keitsveränderungen und zu Lebensentscheidungen, die in ihrer Radikalität von Angehörigen und Freunden nicht mehr nachvollzogen werden können. Oftmals werden Betroffene bestärkt, bestehende Kontakte abzubrechen, um ihre spirituelle Weiterentwicklung nicht zu gefährden. Die Angehörigen bekommen zu hören, dass sie spirituell nicht weit genug entwickelt sind, um das Geschehene zu verstehen.

 

Spirituelle Bedürfnisse im Coaching

Grundsätzlich dürfen spirituelle Themen natürlich auch in seriösem Coaching einen Platz haben. Der Psychologe Michael Utsch weist darauf hin, dass es eine starke Sehnsucht nach Orientierung und spiritueller Führung gebe. Falsch sei es, diesem keinen Raum zu geben, wenn der Coachee selbst diesbezügliche Fragen stelle. Dann könne die Spiritualität eine Bewäl­tigungskraft darstellen, durch die Hoffnung und Sinn vermittelt werden. Kontakte zu Wesen­heiten und Erleuchtung durch Trance seien ebenso unprofessionell wie die dogmatische Abwehr religiöser und spiritueller Bedürfnisse und Erwartungen eines Ratsuchenden. Aller­dings dürften spirituelle Methoden nicht das professionelle Handwerkszeug ersetzen. Notwen­dig seien hier weltanschauliche Transparenz und auch Transparenz des eigenen Menschen­bildes.[11]

 

Unterscheidung Coaching – Psychotherapie

Coaching ist im Unterschied zur Psychotherapie eine Beratungsform für psychisch gesunde Menschen. Der Coach unterstützt bei Veränderungswünschen und der Zielerreichung. Die Hilfesuchenden sollen in die Lage versetzt werden, die eigenen Ressourcen zu aktivieren. Die Dauer ist begrenzt und die Kosten für ein Coaching müssen selbst getragen werden.

Bei starkem Leidensdruck und einer deutlichen Einschränkung im Alltag ist eine Psychothera­pie sinnvoll. Hier wird zunächst eine Diagnose gestellt. In der Psychotherapie werden die psy­chischen Probleme tiefergehend unter Berücksichtigung der individuellen Lebensgeschichte bearbeitet. Die Therapie kann je nach Schwere der Erkrankung über mehrere Jahre gehen. Die Kosten der Behandlung übernimmt in der Regel die Krankenkasse.           

 

Was macht ein gutes Coaching aus? - Kriterien zur Unterscheidung von seriösen und unseriösen Coaching-Angeboten

Qualifikation:

Die coachende Person sollte mindestens 30 Jahre alt sein, ein Hochschulstudium (ideal: Wirt­schaftswissenschaften oder Psychologie) sowie eine 12 bis 15-monatige Coaching-Ausbil­dung absolviert haben. Zudem sollte sie drei Jahre Berufserfahrung mitbringen und Erfahrung in dem Bereich, in dem sie coacht. Bei beruflichem Coaching sind andere Qualifikationen sinn­voll als bei einem Coaching aufgrund von privaten Themen.

Vorsicht, wenn auf der Internetseite keinerlei Informationen über den Berufsweg und den Ausbildungshintergrund des Coaches/der Coachin zu finden sind.

 

Seriosität:

Die coachende Person ist ein/e neutrale/r Gesprächspartner*in, die auf Augenhöhe berät. Sie liefert keine direkten Lösungsvorschläge, sondern begleitet den Coachee, eigene Lösungen zu entwickeln. Vor allem drängt die coachende Person dem Coachee keine eigenen Ideen und Meinungen auf, sondern bleibt in einer unabhängigen Position. Ein/e gute/r Coach*in kennt seine/ihre Grenzen und verweist bei psychischen Problemen an eine/n Psychotherapeutin/en oder bei körperlichen Problemen an einen Arzt/eine Ärztin.

Vorsicht, wenn die coachende Person einen „Gurustatus“ einnimmt. Der Guru drängt sich mit seinen Ideen auf, lässt sich anhimmeln und akzeptiert keine Kritik. Er schimpft auf Ärzt*innen oder Therapeut*innen und rät von dem Besuch bei ihnen ab.

 

Spezialisierung:

Professionelle Anbieter*innen weisen Spezialisierungen auf bestimmte Themen und Zielgrup­pen auf. So kann es bei einem beruflichen Coaching sinnvoll sei, wenn die coachende Person ein Wirtschaftsstudium absolviert hat und selbst schon einmal in dem gefragten beruflichen Feld gearbeitet hat. Bei einem persönlichen Coaching kann es dagegen sinnvoll sein, wenn der/die Coach*in ein Psychologiestudium absolviert und eine beraterische Ausbildung gemacht hat.

Vorsicht, wenn sich der/die Anbieter*in als die richtige Ansprechperson bei jedem Problem präsentiert und seine/ihre umfassende Kompetenz betont.

 

Persönlicher Kontakt:

Am effektivsten ist ein Coaching im persönlichen Einzelkontakt. Es werden individuelle Lösungsansätze erarbeitet.

Vorsicht bei Online-Seminaren, diese können aus aufgenommenen Videos bestehen. Inhalt­lich können diese Seminare von niedriger Qualität sein und aus allgemeinen und oberfläch­li­chen Weisheiten bestehen.

 

Methoden:

Im Coaching wird häufig auf psychotherapeutische Konzepte zurückgegriffen. Es sollten Methoden aus wissenschaftlich anerkannten Therapieverfahren angewandt werden, wie Ver­haltenstherapie, Systemische Therapie, Tiefenpsychologie und Personenzentrierte Therapie.

Vorsicht bei esoterischen Methoden wie Rückführung in frühere Leben, Channeling oder Kinesiologie.

 

Erstgespräch:

Das Erstgespräch dient dem Kennenlernen und der Aufklärung und ist in der Regel kostenlos.

Vorsicht, wenn man gedrängt wird, sofort einen Vertrag zu unterzeichnen. Es muss die Gele­genheit geben, die Entscheidung zu überdenken. Vorsicht, wenn man mit Sonderangeboten gelockt werden soll oder von einer Begrenztheit des Angebots, einer künstlichen Verknap­pung, gesprochen wird.

 

Beratungsziel:

Das Beratungsziel sollte klar begrenzt und erreichbar sein. Gemeinsam soll geklärt werden, was erreicht werden soll. Das sollten realistische Ziele sein, wie z. B. die Vorbereitung auf ein Bewerbungsgespräch.

Vorsicht bei Versprechungen, die zu gut sind, um wahr zu sein. Natürlich gibt es Menschen, die durch das Internet zu Millionären geworden sind. 99,99% der Selbständigen im Internet werden aber keine Millionäre.

 

Vertragssituation:

Ein Vertrag klärt die Rahmenbedingungen, wie den zeitlichen Umfang des Gesamtcoachings (z. B. 10 Sitzungen), die Kosten (zwischen 100 und 200 Euro pro Stunde), Coachings sollten pro Stunde abgerechnet werden und ein Kündigungsrecht beinhalten.

Vorsicht vor langfristigen finanziellen Verpflichtungen und Abonnements mit monatlicher Bezahlung.

 

Dauer der Beratung:

Nach einer lösungsorientierten Beratung der Fragestellung ist das Coaching beendet. Zu Beginn können z. B. 10 Sitzungen vereinbart werden.

Vorsicht vor einer abhängig machenden Dauerberatung.

 

 

Literatur:

BaFin (2022): Vorsicht bei Einladungen zu Online-Finanzakademien und Bildungsangeboten zu Geldanlagestrategien. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/ Ver­brauchermitteilung/weitere/2022/meldung_2022_07_12_Warnung_Finanzakademie.html, abgerufen am 19.2.2023

Bange, Uta (2013): Coaching für Kinder und Jugendliche – Sinn und Unsinn eines neuen Trends. Coaching für Kinder und Jugendliche - Sinn und Unsinn eines neuen Trends, abgerufen am 26.02.2023

Deutscher Bundesverband für Coaching (2023): Definition Coaching. https://www.dbvc.de/der-dbvc/definition-coaching, abgerufen am 27.2.2023

Gollan, Anja (2015): Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungs­bericht.Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungsbericht, abgerufen am 26.02.2023

Mai, Jochen (2022): Coaching einfach erklärt + Tipps: Wie seriösen Coach finden. Karriere­bibel. https://karrierebibel.de/coaching/, abgerufen am 27.2.2023

Lindart, Marc, Dr. (2017): Den Blick auf die wirksamen Dinge richten! Neue Erkenntnisse aus der Coaching-Forschung. https://www.coachingmagazin.de/wissenschaft/wirkfaktoren-coaching, abgerufen am 27.2.2023

Nachbar, Karin (2009): Der Coaching-Boom. Der Coaching-Boom, abgerufen am 26.2.2023

Rauen, Christoph, Dr. (2023): Wirksamkeit von Coaching. Wie Coaching wirkt. https://www.rauen.de/coaching-report/definition-coaching/wirksamkeit.html, abgerufen am 27.2.2023

Roundtable Coaching (2022): Wir professionalisieren Coaching. https://www.roundtable-coaching.eu/, abgerufen am 26.02.2023

Stiftung Warentest (2022): https://www.test.de/Bafin-warnt-Dubiose-Finanzakademien-Dubiose-Online-Finanzakademien-IM-Master-Academy-auf-der-Warnliste-5907514-0/ , https://www.test.de/Warnliste-Geldanlage-Unserioese-Firmen-und-Finanzprodukte-1131965-0/, abgerufen am 19.2.2023

Utsch, Michael, Prof. Dr. (2015): Spiritualität im Coaching – ein wissenschaftliches Neu­land. Coaching-Magazin 1/2015. https://www.coaching-magazin.de/kontrovers/spiritualitaet-coaching, abgerufen am 27.2.2023

Utsch, Michael, Prof. Dr. (2017): Auf der Suche nach Sinn – die existentielle Dimension im Coaching. Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2017. https://praxis-utsch.de/assets/files/ Coaching-Wirtspsych2-2017.pdf, abgerufen am 27.2.2023



[1] Gollan, Anja (2015): Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungsbericht. Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungsbericht, abgerufen am 26.02.2023

Bange, Uta (2013): Coaching für Kinder und Jugendliche – Sinn und Unsinn eines neuen Trends. Coaching für Kinder und Jugendliche - Sinn und Unsinn eines neuen Trends, abgerufen am 26.02.2023

Nachbar, Karin (2009): Der Coaching-Boom. Der Coaching-Boom, abgerufen am 26.2.2023

[2] Deutscher Bundesverband für Coaching (2023): Definition Coaching. https://www.dbvc.de/der-dbvc/definition-coaching, abgerufen am 27.2.2023

[3] Mai, Jochen (2022): Coaching einfach erklärt + Tipp: Wie seriösen Coach finden. Karrierebibel. https://karrierebibel.de/coaching/, abgerufen am 27.2.2023

[4] Rauen, Christoph, Dr. (2023): Wirksamkeit von Coaching. Wie Coaching wirkt. https://www.rauen.de/coaching-report/definition-coaching/wirksamkeit.html, abgerufen am 27.2.2023

[5] Lindart, Marc, Dr. (2017): Den Blick auf die wirksamen Dinge richten! Neue Erkenntnisse aus der Coaching-Forschung. https://www.coachingmagazin.de/wissenschaft/wirkfaktoren-coaching, abgerufen am 27.2.2023

[6] Roundtable Coaching (2022): Wir professionalisieren Coaching. https://www.roundtable-coaching.eu/, abgerufen am 26.02.2023

[7] Roundtable Coaching (2022): Ethisches Verhalten im Coaching. https://www.roundtable-coaching.eu/wp-content/uploads/2022/11/RTC-Ethik-2018-03-19-Compliance-Richtlinie-V202211141405LS.pdf, abgerufen am 26.02.2023

[8] BaFin (2022): Vorsicht bei Einladungen zu Online-Finanzakademien und Bildungsangeboten zu Geldanlagestrategien. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Verbrauchermitteilung/ weitere/2022/meldung_2022_07_12_Warnung_Finanzakademie.html, abgerufen am 19.2.2023

[9] Stiftung Warentest (2022) https://www.test.de/Bafin-warnt-Dubiose-Finanzakademien-Dubiose-Online-Finanzakademien-IM-Master-Academy-auf-der-Warnliste-5907514-0/ , https://www.test.de/Warnliste-Geldanlage-Unserioese-Firmen-und-Finanzprodukte-1131965-0/, abgerufen am 19.2.2023

[10] Ausführliche Darstellung der rechtlichen Situation: Gollan, Anja (2015): Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungsbericht. Coaching – mehr schlecht als Recht? Anmerkungen zum Erfahrungsbericht, abgerufen am 26.02.2023

[11] Utsch, Michael, Prof. Dr. (2015): Spiritualität im Coaching – ein wissenschaftliches Neuland. Coaching-Magazin 1/2015. https://www.coaching-magazin.de/kontrovers/spiritualitaet-coaching, abgerufen am 27.2.2023

Utsch, Michael, Prof. Dr. (2017): Auf der Suche nach Sinn – die existentielle Dimension im Coaching. Wirtschaftspsychologie aktuell 2/2017. https://praxis-utsch.de/assets/files/Coaching-Wirtspsych2-2017.pdf, abgerufen am 27.2.2023