Beratung und Information zu neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen
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Beratung und Hilfe für Menschen mit Außergewöhnlichen Erfahrungen

Herr M. ruft aufgeregt in der Beratungsstelle an. Seit einem Jahr spuke es in seinem Haus. Zwei Geister hielten sich dort auf, die auch mit ihm reden würden. Eine Frauen- und eine Männerstimme. Nachts poltere es im Haus, so laut, als würde ein Schrank umfallen. Das Telefon klingele plötzlich in einem anderen Ton. Einmal habe er ein Gesicht gesehen. Er habe Angst, abends ins Bett zu gehen und zu schlafen. Er spüre, dass jemand anwesend sei. Er lebe allein. Als seine Schwester bei ihm geschlafen habe, um den Spuk zu erleben, sei nichts passiert. Er habe das Gefühl, die Geister wollten ihn ärgern. Einer der Geister habe ihn morgens geweckt und laut „aufstehen“ gerufen. Er habe schon mit mehreren Therapeuten gesprochen und mit einem Seelsorger. Der habe ihm gesagt, es gebe keine Geister. Es sei ihm peinlich, darüber zu sprechen. Er sei doch nicht verrückt. Nun wisse er nicht mehr weiter.
 
Herr Z. kommt zum Gespräch in die Beratungsstelle. Er sei bei einer „Geistigen Lebensberaterin“ in Behandlung gewesen. Anlass seien Eheprobleme gewesen. Diese Beraterin habe ihn gewarnt. Die Familie seiner Ehefrau, die aus einem südamerikanischen Land stammt, wolle ihn mit Hilfe eines Voodoozaubers vernichten. Er und seine Familie würden schwer erkranken und dann sterben, da diese Familie an sein Geld wolle. Er fühle sich nicht gut, auch seine Eltern und seine Tante seien in letzter Zeit sehr krank gewesen. Er möchte nun von mir wissen, ob schwarze Magie funktioniere und sein Leben und das seiner Familie in Gefahr sei.

Frau K. ist fest davon überzeugt, paranormale Fähigkeiten zu haben. Das Pferd einer Freundin war schwer erkrankt und kein Tierarzt konnte die Ursache dieser Erkrankung feststellen. In einem Traum habe sie gesehen, dass der Hals des Pferdes das Problem sei. Eine daraufhin veranlasste erneute Untersuchung ergab, dass ein Nerv dort eingeklemmt war. Dank ihres Traumes habe das Tier gerettet werden können.

Erfahrungen, wie die oben geschilderten, sind häufig Anlass, sich an unsere Beratungsstelle zu wenden. Für manche Menschen eine Bereicherung, für viele aber auch ein Grund, sich zu fürchten, sich zu blamieren oder für verrückt erklärt zu werden. Die drei Fallgeschichten wurden von Menschen berichtet, die nicht psychisch krank sind, ganz „normale“ Menschen, die aufgrund ihrer Außergewöhnlichen Erfahrungen aus der Bahn geworfen wurden und zutiefst verunsichert sind.

 

Was sind Außergewöhnliche Erfahrungen?

Als „Außergewöhnliche Erfahrungen“ sollen all die Erfahrungen verstanden werden, die von den Betroffenen als „übersinnlich“, „magisch“, „spirituell“, „transzendental“ oder ähnliches erlebt werden. Es handelt sich um Erscheinungen und Vorgänge wie Gedankenübertragung, Wahrträume, Ahnungen, Spuk- oder Geistererscheinungen oder magische Beeinflussung. Phänomene, die als nicht alltäglich und emotional besonders bedeutsam eingestuft werden. Erfahrungen, die den Rahmen des bisher Vertrauten eines Menschen verlassen. Es ist etwas passiert, was nicht in das bisherige Selbst- und Weltbild eingeordnet werden kann.

Viele sprechen auch von parapsychologischen oder paranormalen Phänomenen. Der Begriff Parapsychologie stammt von dem Berliner Psychologen und Philosophen Max Dessoir aus dem Jahr 1889. Gemeint sind damit Phänomene, die aus dem normalen Verlauf des Seelenlebens heraustreten. Sie beziehen sich auf Prozesse, die im Prinzip physikalisch unmöglich sind oder nach dem geltenden Wissenschaftsverständnis außerhalb des Bereichs menschlicher Möglichkeiten liegen.

Der Begriff „Außergewöhnliche Erfahrungen“ berücksichtigt die Besonderheit des Erlebten, ohne vorzeitig zu werten, zu diagnostizieren oder einen ungerechtfertigten Etikettierungsprozess einzuleiten. Außergewöhnliche Erfahrungen lassen sich nach ihren Auslösebedingungen in drei Kategorien einteilen:

  1. Spontane Außergewöhnliche Erfahrungen: Sie treten plötzlich und ohne Vorankündigung auf. Sie sind weder geplant noch intendiert.

  2. Selbstinduzierte Außergewöhnliche Erfahrungen: Diese treten in Zusammenhang mit dem Ausüben okkulter, spiritistischer oder psycho-spiritueller Methoden auf wie z.B. Pendeln oder Gläserrücken.

  3. Fremdinduzierte Außergewöhnliche Erfahrungen: Ausgelöst werden sie durch andere Personen oder Methoden, z.B. durch Behandlung von Geistheilern oder durch die Teilnahme an Esoterikangeboten und Psychokursen.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Außergewöhnlichen Erfahrungen dargestellt werden:

A. Außersinnliche Wahrnehmungen
  • Telepathie: Übertragung von psychischen Inhalten von einer Person auf eine andere ohne Beteiligung bekannter Kommunikationskanäle
  • Hellsehen: Erfassung von objektiven Sachverhalten, die niemandem bekannt sind
  • Präkognition/Ahnungen: Erfassung zukünftiger Vorgänge, die rational nicht erschließbar sind und auch nicht als Folge von Vorauswissen auftreten
  • Wahrträume: Im Traum wurde etwas gesehen oder erlebt, das später wirklich passiert ist, ohne dass man es hätte wissen können
  • Verblüffende Koinzidenz: Bestimmte Dinge fügen sich derart verblüffend, dass man nicht mehr an einen Zufall glauben kann
  • Déjà vu: Unvermittelt das seltsame Gefühl haben, die gleiche Situation bereits erlebt zu haben oder einen Ort bereits zu kennen
B. Außergewöhnliche Wahrnehmungen
  • Spuk: Gegenstände verhalten sich so eigenartig, dass das Gefühl entsteht, es würde spuken, z.B. Klopfen, Schritte, Stimmen, die in der Außenwelt lokalisiert werden
  • UFO-Sichtung: Außerirdische in Raumschiffen kommen auf die Erde
  • Psychokinese: „Direkte“ Beeinflussung von Gegenständen ohne Benutzung erwiesener naturwissenschaftlicher Kräfte
  • Spüren einer Anwesenheit: Eindruck, dass in der unmittelbaren Umgebung etwas sinnlich nicht Wahrnehmbares anwesend ist, z.B. Geister oder fremde Mächte
  • Beeinflussungserleben: Eindruck einer Fremdbeeinflussung der Gedanken, des körperlichen Befindens, der Sinneswahrnehmungen, der Emotionen, des Verhaltens des physikalischen Umfeldes oder des gesamten Schicksals, z.B. durch Verschwörungen, Geheimdienste, Magie, fremde Mächte
C. Veränderte Bewusstseinszustände:
  • Außerkörperliche Erfahrung: Erfahrung, dass sich das bewusste Wahrnehmungszentrum außerhalb des eigenen Körpers befindet, dass der Körper verlassen werden kann, dass Reisen außerhalb des Körpers stattfinden (Astralreisen)
  • Trancezustände: Veränderung des Bewusstseins, des gewohnten Gefühls der Identität, Einengung der Umgebungswahrnehmung, bis hin zu Erinnerungsverlust der Ereignisse
  • Todesnäheerfahrungen: Grenzerfahrungen in Zusammenhang mit einer lebensbedrohlichen Situation
  • Mystische Erfahrungen: Erleben einer fundamentalen Einheit mit allem Seienden, Erfahrung des Göttlichen oder Ähnliches
  • Mediumismus/Channeling: „Medial“ begabte Menschen übermitteln Botschaften aus einer anderen Dimension, von Geistern/Wesenheiten
D. Paranormale Heilung:
  • Heilung aufgrund eines paranormalen Einflusses. Geistige Kräfte oder Energien werden verantwortlich gemacht

 

Verbreitung Außergewöhnlicher Erfahrungen

Parapsychologische Erfahrungen und Vorgänge werden seit Beginn der Menschheit berichtet. Interessanterweise finden sich sogar bestimmte ähnliche Muster in den Berichten, z.B. über Geistererscheinungen oder Spukphänomene, über Zeit und Kultur hinweg.

Außergewöhnliche Erfahrungen finden auch heute ein breites öffentliches Interesse, wie die hohen Einschaltquoten und die zahlreiche Resonanz auf die Uri Geller Show im November letzten Jahres eindrücklich belegen. Auch ein Blick in die Regale der Buchläden mit einer umfangreichen esoterischen, okkulten und parapsychologischen Literatursammlung zeigt, dass wissenschaftlicher und technischer Fortschritt nicht zu einer Entzauberung der Welt geführt haben und gerade der postmoderne Mensch auf der Suche nach transzendenten Erfahrungen ist.

Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage in Deutschland zu außergewöhnlichen Erfahrungen kam im Jahre 2000 zu folgenden Ergebnissen:
Die deutsche Bevölkerung steht paranormalen Erfahrungen sehr aufgeschlossen gegenüber. Zwischen 50% und 70% der Befragten können sich vorstellen, dass es Phänomene wie außersinnliche Wahrnehmung, Telepathie oder Präkognition tatsächlich gibt. Immerhin 25% der Deutschen halten die Existenz von UFOs für möglich.

Insgesamt 73%, also fast drei Viertel der 1510 Befragten, haben schon einmal eine außer-gewöhnliche Erfahrung gemacht. Dabei sind alltagsnahe Erfahrungen wie „Déjà vu“ und „verblüffende Koinzidenz“ am häufigsten genannt worden. Aber auch von den klassischen parapsychologischen Phänomenen wie „Wahrtraum“, „Erscheinungen“, „Spuk“ oder „außer-sinnliche Wahrnehmung“ berichten 50% der Befragten. Und zwischen zwei und drei Prozent der Deutschen meinen, schon einmal ein Ufo gesehen zu haben. Das generelle Auftreten von Außergewöhnlichen Erfahrungen ist dabei unabhängig von Geschlecht, Religion, Herkunft, Ost- oder Westdeutschland, kirchlich oder nichtkirchlich gebunden. Allerdings spielt das Alter eine entscheidende Rolle. Mit zunehmendem Alter werden weniger Außergewöhnliche Erfahrungen gemacht. Inhaltliche Unterschiede gibt es zwischen Männern und Frauen. Außersinnliche Wahrnehmungen und Erscheinungen werden signifikant häufiger von Frauen erlebt. Bei Männern gibt es hingegen deutlich mehr UFO Sichtungen (Schmied-Knittel, Schetsche, 2003).

 

Beratung und Hilfe bei Außergewöhnlichen Erfahrungen im Sekten-Info Essen e.V.


1. Ernstnehmen der Erfahrungen und Vermeidung einer Pathologisierung

Die Betroffenen haben etwas erlebt, was sie selbst noch nicht einordnen können. Die Angst vor dem Unheimlichen, bisher Unvorstellbaren, ist groß. Gleichzeitig fühlen sich die Menschen mit Außergewöhnlichen Erfahrungen oft nicht ernstgenommen, belächelt bis hin zur Pathologisierung. Auch professionelle Helfer ordnen die Schilderungen häufig entweder in den Bereich der Phantasie ein oder sehen sie als rein psychisches/psychiatrisches Problem, das mit Psychopharmaka behandelt werden kann.

In der Beratung von Menschen mit Außergewöhnlichen Erfahrungen geht es darum, die Erlebnisse als subjektive Erfahrungen ernst zu nehmen. Vielen Menschen hilft es zu hören, dass die gemachten Erfahrungen gar nicht so ungewöhnlich sind. Andere haben Ähnliches erlebt.

Beispiel: Frau N. berichtet von einem Erlebnis, das für sie bis dahin unvorstellbar schien. Sie und ihr Mann sahen auf der Straße ihre vor einem Jahr verstorbene Tochter. Sie habe das blaue Kleid getragen, das sie für ihre Tochter genäht habe. Beide waren absolut sicher, dass sie es war, trauten sich aber nicht, sie anzusprechen. Ein anderes Mal sei die Stereoanlage ganz von selbst angegangen und habe ihr Lieblingslied gespielt. Das Ehepaar konnte diese Erfahrungen nicht in ihr Weltbild einordnen. Die Klientin fragte sich, ob sie verrückt geworden sei. Es war sehr hilfreich für sie zu hören, dass viele Angehörige von kürzlich Verstorbenen solche Erlebnisse berichten. Wie das Erscheinen der Tochter oder das Angehen der Stereoanlage nun zu erklären ist, spielt für die Beratung eher eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist jedoch herauszufinden, welche Bedeutung dieses intensive Erlebnis für die Betroffenen hat. Die Erscheinung der Tochter spielte eine Rolle in der Auseinandersetzung der Eltern mit dem Tod der Tochter. In diesem Fall stellte sich heraus, dass die Mutter sehr starke Schuldgefühle hatte. Kurz vor deren Tod hatte es noch einen heftigen Streit mit der Tochter gegeben. Diese Schuldgefühle machten es ihr schwer, die Tochter gehen zu lassen.
 

2. Entdramatisieren und Integrieren des Erlebten in das eigene Weltbild

Die außergewöhnlichen Erfahrungen sollen einen Platz bekommen im Selbst- und Weltbild der Betroffenen. Aussagen über die „Echtheit“ der Erscheinung im Sinne einer objektiven Realität sind nicht möglich. Ein Entdramatisieren des Erlebten und Verarbeitungshilfen zur Integration des Erlebten bleiben oberste Ziele der therapeutischen Arbeit.
 

3. Wissensvermittlung

Die gemachten Erfahrungen werden in der Beratung auch in Beziehung gesetzt zum derzeitigen Stand der Wissenschaft bzw. der parapsychologischen Forschung.

Beispiel Spuk:
Die Dokumentation vieler Spukfälle hat gezeigt, dass der Spuk nicht zu objektivieren ist. Die erlebten Spukphänomene sind „elusiv“, d.h. der Spuk lässt sich nicht dingfest machen. Kommt jemand von außen dazu, so treten die Phänomene nicht auf. Es besteht keine Gefahr für Leib und Seele. Vielmehr spricht man in diesem Zusammenhang von einem „Schabernackcharakter“ des Spuks. Der Spuk wird auch als Spiegel der Seele bezeichnet. Unbewusste, verdrängte und ungelebte Anteile der Persönlichkeit manifestieren sich in den Spukphänomenen. In einigen Spukfällen waren es pubertierende Jugendliche, die den Spuk hervorgerufen haben, und damit ihre Konflikte in der Familie zum Ausdruck gebracht haben.

Beispiel Wahrsager, Hellseher, Telepathie, magische Beeinflussung:
Die bisherige parapsychologische Forschung hat in vielen Experimenten zur außersinnlichen Wahrnehmung herausgefunden, dass es zwar schwache, aber „robuste“ Effekte gibt, ohne dass diese steuerbar oder trainierbar wären. Diese stehen also keineswegs willkürlich zur Verfügung, so dass die Werbeversprechen okkulter Dienstanbieter vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen als völlig unhaltbar bezeichnet werden müssen.

Beispiel okkulte Praktiken (Pendeln):
Hier wird aufgeklärt über die (physikalische) Funktionsweise okkulter Praktiken. Das Pendel bewegt sich durch unwillkürliche Muskelbewegungen, Kapillarpulswellen und die Bewegung wird durch Resonanz verstärkt. Die Bewegungsrichtung kann durch den so genannten Carpenter-Effekt erklärt werden. Dieser besagt, dass jede Bewegungsvorstellung einen Antrieb zum Vollzug dieser Bewegung einschließt. Ein Beispiel dafür ist das Mitbremsen als Beifahrer beim Autofahren. Die zu Tage geförderten Inhalte sind häufig unbewusste, verdrängte oder tabuisierte Gefühle, Ängste oder Sehnsüchte („Steigrohre des Unbewussten“). Ebenso wird aufgeklärt über das Suchtpotential, d.h. den Kontrollverlust und die Gefahr der Ausweitung und Generalisierung der besonderen Wahrnehmung über die Ausübung okkulter Techniken hinweg. Beispielsweise kann das Gefühl erhalten bleiben, ein Geist sei im Raum, so dass massive Ängste auftreten können.
 

4. Berücksichtigung der Lebenssituation und der Lebensgeschichte

Im letzten Schritt geht es darum, die subjektive Bedeutung der Außergewöhnlichen Erfahrungen zu erschließen auf dem Hintergrund der aktuellen Lebenssituation und Lebensgeschichte. Dazu ein Beispiel aus der Beratungspraxis:

Frau B. kommt zur Beratung, da sie sich in vielfältiger Weise von einem „Geistheiler“ beeinflusst fühlt, der sie vor einem Jahr wegen ihrer Rücken- und Kopfschmerzen behandelt hatte. Dieser Mann habe wirklich besondere Fähigkeiten gehabt. So habe er z.B. per Fernheilung ihre Kopfschmerzen erfolgreich behandelt. Das besondere dabei sei gewesen, dass er in Abwesendheit gespürt habe, wenn es ihr nicht gut ging und ihr aus der Ferne geholfen habe. Nachdem sie die Behandlung beendet hatte, drohte er ihr, seine Fähigkeiten gegen sie einzusetzen. Seitdem sei sie ständig krank. Sie habe das Gefühl, er entziehe ihr Energie. Eine Stimme gebe ihr ein: „Bring dich um“. Sie habe Schmerzen im Körper, aber der Arzt finde keine Ursache dafür. Auch spüre sie seine Anwesenheit in ihrem Haus. Vor allem im Schlafzimmer habe sich energetisch irgendetwas verändert. Sie spüre oftmals einen kalten Hauch. Sie sei ein religiöser Mensch, aber jetzt könne sie nicht mehr beten. Sie habe Angst, der Mann habe ihr Dämonen geschickt.

Die anfänglich empfundenen positiven, heilenden Energien kehren sich nach der Behandlung um in zerstörende, negative Energien. Dies ist eine häufig zu beobachtende Folgewirkung der Heilung mit Energien und vor allem der Fernheilung. Neben dem positiven Effekt der Linderung von Beschwerden kam es in diesem Fall zu dem Nebeneffekt, dass der „Geistheiler“ auf diese Art Macht über die Frau ausübte. Und diese Macht gab ihm Frau B. über das Ende der Behandlung hinaus.

In der Beratung begann die Klientin, Zusammenhänge zu erkennen zwischen der Abhängigkeit von dem Heiler und den Abhängigkeiten, die sie in ihrer geschiedenen Ehe erlebt hatte. Sie begann, sich emotional mit den vielen Kränkungen und Verletzungen aus der Zeit ihrer beendeten Ehe auseinander zu setzen. Die unheimlichen Phänomene wurden in Zusammenhang gebracht mit ihren Gefühlen von Wut und Enttäuschung. In diesem Fall konnten die wahrgenommenen Phänomene als eine nach außen verlagerte innere psychische Befindlichkeit gedeutet werden.

 

Konsultation von Wahrsagern und Heilern

Im Folgenden möchte ich auf zwei Bereiche eingehen, mit denen wir in der Beratungsarbeit besonders häufig zu tun haben, Erfahrungen mit Wahrsagern und Heilern, sowie die Ausübung von okkulten Praktiken. Viele Beratungsanfragen beziehen sich auf Besuche bei oder Telefongespräche mit einer Wahrsagerin, Zukunftsdeuterin oder Kartenlegerin. Dazu zwei Beispiele:

Eine Frau ruft in der Beratungsstelle an und erzählt, dass sie vor einigen Tagen eine Wahrsagerin angerufen habe. Der Anlass sei gewesen, dass sie sehr eifersüchtig sei und Angst habe, ihr Ehemann könne fremdgehen. Die Wahrsagerin habe ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und angegeben, der Ehemann habe seit zwei Jahren eine Geliebte. Nun möchte die verzweifelte Frau von mir wissen, ob die Wahrsagerin Recht haben könnte.

Eine andere Klientin ruft bei uns an, weil sie von den sehr teuren Anrufen bei einer Kartenlegerin abhängig sei. Diese habe ihr vorhergesagt, dass sie arbeitslos werde und das sei eingetroffen. Jetzt wolle sie immer mehr über ihre Zukunft erfragen hinsichtlich Liebe und Beruf. Im Gespräch wurde deutlich, dass die Klientin die Verantwortung für ihr Leben immer mehr in die Hände dieser Frau legte und eigentlich keine selbständigen Entscheidungen mehr traf.

Wahrsager werden häufig in schwierigen, ausweglosen Lebenssituationen angefragt. Gute Wahrsager haben eine ausgeprägte Menschenkenntnis und Intuition und können oft schon aus dem nonverbalen Verhalten der Klienten Rückschlüsse ziehen. Das Äußere eines Menschen, sein Auftreten, die Kleidung sagen bereits vieles aus, was die Wahrsager benutzen können, um scheinbar Dinge zu sehen, die sie nicht wissen konnten. Weiterhin geben Wahrsager häufig allgemeine Persönlichkeitsbeschreibungen, die fast alle Menschen ganz persönlich auf sich zutreffend halten. Aussagen wie: „Sie sind ein selbstkritischer Mensch, aufrichtig, herzlich und haben Sinn für Humor“ werden von vielen Menschen als passend angesehen. Dieses Phänomen wird von Psychologen als Barnum-Effekt bezeichnet. Menschen neigen außerdem dazu, zutreffende Aussagen stärker zu beachten, unzutreffende dagegen schnell wieder zu vergessen. Auch die „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen“ können ein Grund sein für das Eintreffen von Vorhersagen. Wenn eine Frau gesagt bekommt, dass sie im August den Mann ihres Lebens kennen lernt, ist sie möglicherweise offener und aktiver in dieser Zeit. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn negative Dinge vorhergesagt werden. Wenn das Todesdatum prophezeit wird, kann sich auch der skeptischste Zeitgenosse nur schwer davon lösen.

Heiler werden oftmals dann aufgesucht, wenn die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, z.B. bei unheilbaren oder chronischen Beschwerden. Viele „Wunderheiler“ sind über die Stadt- oder Ländergrenzen hinweg bekannt. Viele Menschen sind mit der Apparatemedizin unzufrieden und ziehen es vor, sich auf dem alternativen Markt Hilfe zu suchen. Probleme entstehen dann, wenn Heiler von notwendigen Medikamenten oder Operationen abraten und das Leben dadurch in Gefahr gerät. Ein weiteres Problem ist die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, wenn Heiler die Klienten nach der Behandlung nicht wieder in die Selbstverantwortung entlassen, sondern langfristig an sich binden möchten. In einigen Fällen verselbständigt sich die Behandlung und auch nach Abschluss des Kontaktes kommt es zu Beeinflussungserleben, welches dann aber nicht mehr gewünscht ist und oftmals als negativ erlebt wird. In diesen Fällen kann es zu massiven psychosomatischen Beschwerden kommen.

 

Ausüben okkulter Praktiken

Beratungsbedarf gibt es auch häufig in Folge der Ausübung von okkulten Techniken wie Pendeln und Gläserrücken. Beim Pendeln wird häufig ein Edelstein oder Metallgegenstand an ein Band befestigt. Es werden Fragen, z.B. hinsichtlich der Zukunft gestellt. Dabei wird festgelegt, welche Pendelbewegung „Ja“ bzw. „Nein“ bedeutet. Oder es werden auf einem Blatt Papier verschiedene Antwortmöglichkeiten aufgelistet und die Antwort, zu der das Pendel ausschlägt oder bei der es zum halten kommt, wird eintreffen.

Beispiel: Eine Klientin berichtet, vor 2 Jahren mit dem Pendeln angefangen zu haben. Zunächst habe sie nur die Lebensfragen ihrer Freundinnen ausgependelt. Dann habe sie auch in ihre eigene Zukunft geguckt. Sie sei selbst erstaunt, wie genau ihre Vorhersagen eingetroffen seien. Habe sie eine Trennung gesehen, so sei diese auch eingetreten. Jetzt könne sie keine Entscheidung mehr treffen, ohne das Pendel zu befragen. Das sei wie eine Sucht geworden. Auf die Frage, was sie glaube, wer oder was da wirkt, erzählt die Klientin von ihrer Großmutter, die vor einigen Jahren gestorben sei und die ihr sehr nah gewesen sei. Vielleicht ermögliche diese ihr den Blick in die Zukunft.

Oft sind es Jugendliche, die sich treffen, eine spannende Atmosphäre schaffen und beim Gläserrücken Kontakt suchen mit Geistern, dem Jenseits oder auch Satan. Die Buchstaben des Alphabets werden im Kreis ausgebreitet, die Finger werden locker auf den Rand eines umgedrehten Glases gelegt und ein Geist wird gerufen. „Meldet“ sich ein Geist, so werden Fragen gestellt, die häufig das zukünftige Schicksal betreffen. Welchen Beruf werde ich ausüben, wie viele Kinder bekomme ich, und wie wird die nächste Mathearbeit ausfallen. Meistens haben alle viel Spaß und das Ganze wird nicht allzu ernst genommen. Aber manchmal passiert dann doch etwas Unheimliches. Abends im Spiegel taucht das Gesicht des Teufels auf, der Geist verschwindet nicht wieder oder es fällt plötzlich ein Bild von der Wand. Angst und Panik machen sich breit. Die Jugendlichen können nicht mehr schlafen, die Eltern haben auch keine Erklärung und schließlich ruft die Klassenlehrerin in der Beratungsstelle an und möchte mit der ganzen Klasse vorbeikommen.

 

Außergewöhnliche Erfahrungen und Psyche

Es gibt keine automatische Verknüpfung von Außergewöhnlichen Erfahrungen und psychischer Gestörtheit. Paranormale Erfahrungen gehören zum Allgemeingut der Bevölkerung und können sogar zu psychischer Gesundheit oder Stabilisierung führen. Menschen erleben diese Erfahrungen als sinnvoll und passend, wenn die Umgebung akzeptierend reagiert und sie als zum normalen Spektrum menschlichen Erlebens und Verhaltens dazugehörig gewertet werden. Als Bedrohung werden Außergewöhnliche Erfahrungen dann gesehen, wenn sie nicht einzuordnen sind oder wenn man befürchtet, dass man selbst oder andere Schaden nehmen könnten (z.B. Spuk, Wahrträume, Vorahnungen, magische Beeinflussung, Stimmen hören). Wenn es zusätzlich zu einer Pathologisierung von außen kommt von Freunden, Familie, Ärzten oder Therapeuten, so entstehen Unsicherheiten und das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Eine professionelle Beratung steuert dem entgegen und gibt den Klienten das Gefühl, mit ihren Außergewöhnlichen Erfahrungen ernst genommen zu werden. In einigen Fällen liegen den paranormalen Erfahrungen allerdings auch psychische Erkrankungen zugrunde. Ein wesentlicher Aspekt der Beratungsarbeit ist es, differentialdiagnostisch Störungen wie Schizophrenie, schizotypische Persönlichkeitsstörungen oder dissoziative Störungen abzuklären und insbesondere bei psychiatrischen Problemen eine kompetente Zuweisung zu passenden Behandlungsangeboten vorzunehmen.

 

Literatur:

  • Bauer, E.; v. Lucadou, W. (Hrsg.): PSI - was verbirgt sich dahinter? Wissenschaftler untersuchen parapsychologische Phänomene. Freiburg: Herder, 1984
  • Lucadou W.v.; Poser, M.: Geister sind auch nur Menschen. Freiburg: Herder, 1997
  • Schmied-Knittel, I.; Schetsche, M.: PSI-Report Deutschland. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage zu außergewöhnlichen Erfahrungen. In: Bauer, E., Schetsche, M. (Hrsg.), Alltägliche Wunder. Erfahrungen mit dem Übersinnlichen – wissenschaftliche Befunde. Würzburg: Ergon Verlag, 2