Beratung und Information zu neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen
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Zur Vereinbarkeit von christlich-fundamentalistischen Weltanschauungen und professioneller Sozialer Arbeit - eine Praxisperspektive

Einleitung

Anfragen und Beratungen zu Inhalten aus dem christlich-fundamentalistischen Spektrum machen seit Jahren einen der größten Bereiche unserer Arbeit aus. Dabei begegnen uns immer wieder Akteure, die unter der Einbindung ihrer Glaubensvorstellungen in Bereichen des Sozialwesens und der Wohlfahrtspflege auftreten und sich zu etablieren versuchen. Die vor­liegende Ausarbeitung möchte dafür Beobachtungen aus der Praxisperspektive darlegen.

Im Folgenden wird die Vereinbarkeit von professioneller Sozialer Arbeit zu Auffassungen christlich-fundamentalistischer Weltanschauungen beleuchtet. Dabei liegt der Fokus auf inhaltlichen Differenzen, einer fehlenden Professionalisierung bestimmter Angebote sowie Arbeitsweise und Organisationsform. Zunächst werden grundlegende Inhalte christlich-fundamentalistischer Weltanschauung besprochen. Es soll geklärt werden, welche Inhalte und Erscheinungsformen uns in der Praxis begegnen und wie diese vor dem Hintergrund unserer Gegenwart an Bedeutung gewinnen. Anschließend sollen grundlegende Bestimmungen professioneller Sozialer Arbeit skizziert sein. Vor ihrem Hintergrund werden Angebote von Akteuren mit christlich-fundamentalistischem Profil problematisiert, die uns in unserer Beratungs­tätigkeit auffallen.

 

Christlich-fundamentalistische Weltanschauungen

Die Dimensionen und Erscheinungsformen von ‚christlichem Fundamentalismus‘ sind vielseitig. Unterschiedliche Blickrichtungen auf das Thema – bspw. historisch, soziologisch, theolo­gisch, psychologisch – können einer Beschäftigung zu Grunde liegen. Es gilt daher, sich einer verantwortungsvollen Differenzierung des Phänomens bewusst zu sein.[1]

Als Beratungsstelle erhalten wir eine Menge an Informationen durch Berichte von Aussteiger*innen und Angehörigen. Mit gezielter Recherche erarbeiten wir zudem eine Außenperspektive. Hinzu kommen die Anfragen zu Fachvorträgen, bei denen wir als Referierende auf­treten und unsere Praxis wissenschaftlich reflektieren. Durch eine breite Vernetzung zu anderen staatlichen und kirchlichen Weltanschauungsberatungsstellen, sind wir im ständigen Austausch und profitieren von der Arbeit unserer Kolleg*innen – gerade durch die theologi­schen Einordnungen und wissenschaftlichen Publikationen zum Thema.[2]

Nachfolgende Aspekte bündeln unsere Kenntnis zum Thema, indem zentrale Formen und Inhalte des Phänomens beschrieben werden. Zu Beginn sei hier eine Definition als Orientie­rung genannt:

„Als ,fundamentalistisch‘ kann man demnach solche religiösen Bewegungen und Gemeinschaftsbildungen der Moderne bezeichnen, die eine von ihnen wahrge­nommene, dramatische Krise durch eine ,exakte‘ Rückkehr zu vermeintlich ewig gülti­gen, heiligen Prinzipien, Geboten oder Gesetzen zu überwinden suchen. Fundamen­talisten gehen davon aus, dass es eine zeitlos gültige Ordnung der Welt sowie eine darauf beruhende, religiös verbindliche fromme Lebensführung gibt, die einst in einer exemplarischen Gemeinschaft verwirklicht waren.“ [3]


1.  
Bibelauslegung

Eine christlich-fundamentalistische Weltanschauung gewinnt ihre Inhalte und Überzeugungen durch eine streng biblizistische, also wort-wörtliche Auslegung der Bibel. Damit geht die Ablehnung (oder Abneigung) der historisch-kritischen Exegese einher, wie sie üblicherweise in universitären Kontexten gelehrt wird. Im Gegensatz dazu wird an der ‚Verbalinspiration‘ der Bibel festgehalten. Damit ist die wortwörtliche Inspiration der Bibel durch Gott gemeint. Sie zählt als irrtumslose und widerspruchsfreie Offenbarungsquelle Gottes – ihr Wahrheitsanspruch gilt zu jeder Zeit. Komplexen dogmatischen, ethischen und wissenschaftlichen Fragen wird demnach mit einfachen und klaren Antworten begegnet. Fragen des Lebens oder des Menschseins, wie sie fortlaufend durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und gesell­schaftliche Entwicklungen aufkommen, werden oft ignoriert oder unzureichend beantwortet. Gelegentlich werden diese neuen Erkenntnisse gezielt mit einem apologetischen Anspruch thematisiert und pseudowissenschaftlich behandelt.

Diese ‚theologische‘ Zugangsweise steht der anerkannten, akademischen und universitären Theologie gegenüber. Diese zeichnet sich durch eine fundierte und langwierige Ausbildung aus, in der Theolog*innen ein breites Spektrum an hermeneutischen, historisch-kritischen und systematischen Methoden erlernen. Sie verstehen die Bibel als vielschichtiges Dokument, das in verschiedenen literarischen Gattungen verfasst wurde und sich in unterschiedlichen historischen Kontexten entwickelt hat. Die akademische Theologie betont den Dialog zwischen Glauben und Vernunft und sucht keine einfachen Antworten, sondern schätzt die Komplexität theologischer Fragen. Somit werden biblische Texte nicht einheitlich und unwiderlegbar betrachtet, sondern als Produkte vielfältiger historischer, kultureller und literarischer Kontexte gesehen, die es zu interpretieren gilt. Damit fördert akademische Theologie einen offenen, selbstkritischen und verantwortungsbewussten Austausch, der es ermöglicht, Glaubensfragen im Licht soziologischer und wissenschaftlicher Entwicklungen immer wieder neu zu entdecken.

 

2.   Inhalte

Glaubensinhalte aus dem christlich-fundamentalistischen Spektrum thematisieren häufig die folgenden wiederkehrende Themen – in unterschiedlicher Intensität.[4]           

a. Sünde, Gericht und ewiges Leben

Errettung ist nur durch wahrhaftigen Glauben an die irrtumslose Wahrheit der Bibel und die Glaubensinhalte der jeweiligen Bewegung zu erlangen. Sünde muss erkannt und bekannt werden. Wichtig ist die Buße, also die Veränderung des Lebensstils und des Verhaltens. Somit ist die persönliche Heilsgewissheit als Lebensaufgabe zu begreifen.           

b. Sexualethische Aspekte

Erkenntnisse und Liberalisierungsprozesse rundum Gender, queere Vielfalt, Schwangerschaftsabbruch, Scheidung, Ehe, Sexualität und Familie werden verkürzt betrachtet und als Symptom der Sünde gedeutet.    

c. Endzeit und Apokalypse

Liberalisierungsprozesse, Kriege und andere globale Krisen werden häufig im Kontext eines Endzeitkampfes interpretiert. Damit sind Glaubensvorstellungen gemeint, in welchem Gott am Ende der Zeit als allmächtiger Herrscher die Welt in Gläubige und Ungläubige aufteilen wird. Einige Deutungen sehen in diesen Krisen Vorboten des bevorstehenden göttlichen Gerichts. Zudem geht die apokalyptische Vorstellung davon aus, dass der Zerfall der vermeintlich ewig festgelegten göttlichen Ordnung – etwa sichtbar durch Liberalisierungsprozesse – als Warnsignal für den nahenden Untergang zu verstehen ist.         

d. Missionierung und Bekehrung

Die Verkündigung des Evangeliums und die Annahme des Glaubens an Jesus Christus als einzig erlösende Wahrheit für ein gelingendes Leben wird zur Aufgabe der Glaubensbewegung und des*der Einzelnen.

 

3.   Erscheinungsformen

Die oben genannten Inhalte christlich-fundamentalistischer Weltanschauung kommen in ver­schiedenen Erscheinungsformen zur Geltung, durch Einzelakteure, Gemeinden, Großkirchen, weitreichende Netzwerke bis hin zu Großveranstaltungen und Konferenzen. Diese Erscheinungsformen können sich auch in unterschiedlichen konfessionellen Ausrichtungen abbilden. Häufig wird angenommen, dass solche Weltanschauungen sich vorwiegend in Freikirchen formieren. Das muss differenziert werden: Nicht jede Freikirche ist fundamentalistisch, nicht jede christlich-fundamentalistische Weltanschauung organisiert sich ausschließlich in Freikirchen. Eine Freikirche zeichnet sich zuallererst darin aus, dass sie selbstständig organisiert und nicht wie die großen Volkskirchen durch Kirchensteuern finanziert werden. Dieser organisatorisch-institutionelle Unterschied sagt noch nichts über eine theologische Ausrichtung oder Bildung aus. Während sich manche Freikirche und ihre dazugehörige Konfession um eine hohe Professionalität bemühen (Ausbildungsweg, theologische Verantwortung etc.), sich vernetzen und an ökumenischen Prozessen beteiligt sind, agieren andere Freikirchen abgeschotteter. Die Unterschiede sind vielfältig von theologischer Ausrichtung, über Gottesdienstgestaltung bis hin zur Organisation der Glaubenspraxis, da konfessionelle Profile u.a. historisch divers gewachsen sind. Gleichzeitig beobachten wir in unserem Arbeitsalltag, dass die oben dargestellten Inhalte überwiegend in Anfragen in Bezug auf Freikirchen eine Rolle spielen.          

a.    Komplexitätsreduktion

Christlich-fundamentalistische Weltanschauungen gewinnen ihre Anziehungskraft vor der Komplexität der Gegenwart. Diese Komplexität reduzieren sie in besonderer Weise:

„In der westlichen Moderne ist der religiöse Fundamentalismus vor allem deshalb attraktiv, weil er die gesellschaftliche Kontingenz (‚Anomie‘) und die Riskanz einer selbstverantworteten Lebensführung durch eine besondere Rigidität, durch ‚harte‘ und unumstößliche Wahrheiten und eine strikte Regulierung der Lebensführung zu kompensieren weiß.“ [5]

Diese Aberkennung einer komplexen und vielschichtigen Gegenwart zeigt sich durch folgende Aspekte. Christlicher Fundamentalismus neigt zu Komplexitätsreduktion. Diese kann in unterschiedlicher ‚Extreme‘ auftreten. Der Exklusivitäts- und Absolutheitsanspruch von Glaubensüberzeugungen führt zu einer einfachen sowie wenig bis kaum veränderlichen Wahrheit über die Welt und das eigene Leben. Komplexität, Mehrdeutigkeit, Dilemmata und Veränderungen können als Bedrohung der eigenen Sicherheit empfunden werden. Je nach Radikalität werden andere Überzeugungen ganz abgelehnt. Moderne, wissenschaftliche Erkenntnisse, sind nur so lange haltbar, wie sie die eigenen biblischen Erklärungsmodelle nicht irritieren.

b. Dualismus

Christlich-fundamentalistische Weltanschauungen neigen zur Dichotomie. Dualistisches Denken zeigt sich u.a. in Gegenüberstellungen von Gut und Böse, richtig und falsch, Gott und Satan, gläubig und nicht gläubig. Einige Gruppen fokussieren besonders einen eschatologischen Dualismus. Sie folgen demnach der Annahme eines drohenden Weltuntergangs, wonach Gott die Welt nach errettet und verdammt richtet.

c. Kommunikation

Je nach Gruppe und Akteur kann eine Glaubensüberzeugung mit christlich-fundamentalistischer Weltanschauung zu populistischer Rhetorik führen. Prediger*innen treten als ‚Warner*in‘ oder ‚Retter*in‘ auf. Mitunter inszenieren sie sich dabei als Opfer in einer chaotischen Welt, in der sie ihre einzige Wahrheit zu einem gelingenden Leben verteidigen. Kommunikativ konstruieren sie dabei ein Bild von ‚Wir‘ und ‚die Anderen‘. Es kommt zu einer Simplifizierung der Phänomene und einer Verschärfung von Sprache und Rhetorik. Social Media als Plattform spielt dabei eine enorm wichtige Rolle, da sich theologische Expertise und Autorität ins Digitale verlagert, wie zum Beispiel bei bestimmten Christfluencer*innen.[6] Eine neue Studie zum Thema ‚Die digitale Transformation des Glaubens - Fast-Content als doppelschneidiges Schwert für religiöse Praxis und Theologie in den USA‘ intensiviert die Besprechung über die Deutungshoheit theologischer Inhalte im Netz. Somit führe eine algorithmische Optimierung dazu,

„(…) dass oberflächlichere oder stärker emotionalisierte Glaubensinhalte bevorzugt werden, während tiefere theologische Auseinandersetzungen geringere Reichweiten erzielen. Dies bestätigt die Hypothese, dass Fast-Content zwar eine leichte Zugänglichkeit zum Glauben ermöglicht, aber gleichzeitig zu einer Reduzierung der theologischen Tiefe führen könnte.“ [7]

 Hinzu kommt – und das kann nur am Rande angesprochen werden – die starke Ästhetisierung der Glaubenspraxis mancher Gemeinschaften durch popkulturelle Aspekte wie Mode, Musik, Show und Lifestyle sowohl in Live-Veranstaltungen als auch im Netz.

 

4.   Konfliktträchtigkeit

Die aus unserer Sicht relevantesten konfliktträchtigen Aspekte im Zusammenhang mit christlich-fundamentalistischen Weltanschauungen sind im Folgenden zusammengefasst.

a. Repression

Aussteiger*innen berichten häufig von der empfundenen Unterdrückung der eigenen Person. Durch strenge Regeln und strikte Glaubensvorgaben kann der eigene Wille, eigene Gefühle oder Gedanken sowie kritisches Denken stark eingeschränkt werden. Manche Menschen erleben dieses Umfeld als diskriminierend, da sie bestimmende Aspekte ihrer Identität – bspw. sexuelle Orientierung, psychisches Leiden, körperliches Leiden – verleugnen müssen oder diese gar als dämonisch markiert werden. Hinzu können Verbote kommen, die das alltägliche, „weltliche“ Leben maßregeln wollen (Bereiche von Kunst, Kultur und Vergnügung). Narrative über einen strafenden, richtenden Gott und die Annahme des personifizierten Bösen (bspw. Dämonenglaube) können starke Ängste schüren, ein dauerndes schlechtes Gewissen hervorrufen und somit zu psychischem Leiden führen. Das starke Eingebundensein in eine Gruppe kann zu sozialer Isolation führen, sodass sich Aussteiger*innen nach ihrem Austritt einsam und allein fühlen. Angehörige von betroffenen Personen sind häufig verzweifelt, weil sich Personen durch eine starke Frömmigkeit abschotten oder persönlich sehr verändern können bspw. durch starken Missionierungseifer. Somit kann es in diesem Zusammenhang zu familiären und anderen zwischenmenschlichen Konflikten kommen.        

b. Kindeswohlgefährdung

Innerhalb unserer Arbeit haben wir es immer wieder mit Fällen zu tun, bei denen es aufgrund physischer und/oder psychischer Aspekte Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung gibt. Durch eine sehr fundamentalistische Auslegung der Bibel wird körperliche Züchtigung an Kindern gerechtfertigt und kann somit zur Beeinträchtigung der körperlichen und psychischen Integrität führen. Bibelverse über Kindererziehung haben damit eine höhere Autorität als gesetzliche Bestimmungen zum Kindeswohl. Darüber hinaus kann das Kindeswohl ebenfalls beeinträchtigt oder gefährdet sein, wenn Heranwachsende aufgrund strafender, drohender oder dämonischer Gottes- und Glaubensvorstellungen unter psychischen Stress geraten und/oder zudem religiös zu sehr beeinflusst werden. Ein starkes Narrativ von Sünde, Buße, Umkehr und Schuld kann ebenfalls zu einer psychischen Belastung werden. Ein weiterer Aspekt kann die soziale Isolation von Heranwachsenden und ‚das Fernhalten‘ von ‚weltlichen‘ Kontexten sein (Verbote zu Freundschaften außerhalb der Glaubensgemeinschaft, Verbote an Teilnahme von Kindergeburtstagen, Karneval, Halloween etc.). Somit kann auch das Leben des Kindes durch starke Verbote beschränkt werden. Das eigene Leben spielt sich überwiegend im Kreis der Glaubensgemeinschaft ab.[8] Weitere kindeswohlgefährdende Aspekte werden ebenfalls im nächsten Abschnitt benannt.   

c. Christlich-fundamentalistische Weltanschauungen und antidemokratische Ansichten

Die als konfliktträchtig erfahrenen Erlebnisse beziehen sich in unserem Arbeitskontext überwiegend auf die persönliche Ebene. Darüber hinaus sind auch Entwicklungen zu nennen, die Bereiche wie Gesellschaft und Politik betreffen.[9] Im ungünstigsten Fall mischt sich ein christlich-fundamentalistisches Weltbild mit antidemokratischen Ansichten, die sich schädlich auf das Kindeswohl auswirken können. Manche Predigten/Veranstaltungen oder gar Gemeinden widmen sich auch gezielt einem bestimmten Thema, sodass politische Glaubensüberzeu­gungen sehr konkret kommuniziert werden. Es existiert in manchen Gruppen eine Affinität zu verschwörungstheoretischem Gedankengut, verfassungsfeindlichen sowie antidemokratischen Narrativen.[10] Ein für die Verknüpfung von Verschwörungstheorien und christlichem Fundamentalismus nennenswertes Beispiel bietet hier die OCG (Organische Christus Gene­ration) mit Hauptsitz in der Schweiz, die zum einen durch ihren Kanal ‚Klagemauer TV‘ für ihre antisemitische und verschwörungstheoretischen Inhalte bekannt ist. Zudem existieren zahlreiche Aussteiger*innen Dokumentationen, die über praktizierte Züchtigungen von Kindern innerhalb der Gemeinschaft berichten.[11] Die OCG ist dabei eine besonders extreme, in sich abgeschottete Gemeinde, die neben den radikal christlich-fundamentalistischen Ansichten auch starke rechts-esoterische Inhalte verbreitet.[12]


Auch in Deutschland sind christlich-fundamentalistische Gemeinschaften bekannt, die beson­ders durch ihre verfassungsfeindlichen Inhalte aufgefallen sind. Der Verfassungsschutzbericht 2023 in Baden-Württemberg nennt zwei Gemeinden, die beobachtet werden: Freikirche Riedlingen und Freikirche ‚Zuverlässiges Wort‘.
[13] Letztere fiel vor allem durch ihre Hassreden auf homosexuelle Menschen auf.[14] Über die Freikirche Riedlingen schreibt der Bericht:

„In den Predigten der EFK werden gezielt christlich fundamentalistische Ansichten mit der Ablehnung des Staates und demokratisch legitimierter Entscheidungen vermischt. Die hohe Reichweite birgt die Gefahr, dass zuvor nichtextremistisch eingestellte Kirchenmitglieder und Anhänger radikalisiert werden.“ [15]

Neben diesen im Verfassungsschutzbericht genannten Gemeinden sind weitere Akteure auffällig, die ihre christlich-fundamentalistische Weltanschauung verschwörungstheoretischen sowie antisemitischen Inhalten verbinden und sich vor allem durch die Corona-Pandemie politisiert haben[16] – jene Vereinnahmung theologischer Inhalte durch rechte Ideologie ist in den letzten Jahren in den Fokus öffentlicher Reflektion gerückt.[17] Insbesondere der zuletzt besprochene Aspekt der Konfliktträchtigkeit, wie wir ihn in unserer Arbeit beobachten, erweist sich als besonders bedeutsam, wenn es um die Frage nach professioneller Sozialer Arbeit geht.

 

Grundlagen professioneller Sozialer Arbeit – ein kurzer Überblick

 

Zuvor wurden die Inhalte und Erscheinungsformen christlich-fundamentalistischer Weltanschauungen in ihrem Gegenwartsbezug und in ihrer Konfliktträchtigkeit dargelegt. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die Grundlagen und Prinzipien professioneller Sozialer Arbeit gegeben. In einem letzten Schritt wird unter Berücksichtigung der Praxisperspektive nach dem Spannungsverhältnis von christlich-fundamentalistischen Weltanschauungen und professioneller Sozialer Arbeit gefragt.

Das Professionsverständnis der Sozialen Arbeit wird im wissenschaftlichen Kontext umfassend behandelt[18] und kann hier nur in einer reduzierten und kompakten Form dargelegt werden. Mehrere zentrale Aspekte prägen das Selbstverständnis von Sozialarbeiter*innen:

1.   Wissenschaftlichkeit

Soziale Arbeit ist als Disziplin in vielen Universitäten und Fachhochschulen vertreten. Sie beschäftigt sich mit wissenschaftlicher Theorie und Forschung. Dabei ist der Einfluss mehrerer anderer Disziplinen von Bedeutung: Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Bildungs- und Kulturwissenschaften, Psychologie und Pädagogik. Darüber hinaus zeigt sich Wissenschaftlichkeit an der Tatsache, dass Erkenntnisse sich verändern oder neu erlangt werden. So ist vor diesem Hintergrund auch professionelles Handeln immer wieder neu zu legitimieren und reflektieren.[19]

2.   Doppelmandat: Hilfe und Kontrolle

Soziale Arbeit steht zwischen dem Mandat der Hilfe und dem Mandat der Kontrolle. Einerseits soll sie Menschen in schwierigen Lebenslagen unterstützen, indem sie ihnen Beratung, Begleitung und Ressourcen zur Verfügung stellt. Andererseits ist sie an gesetzliche Vorgaben gebunden und muss in bestimmten Fällen auch eingreifen oder regulierend wirken. Diese Balance zwischen Hilfe und Kontrolle stellt Fachkräfte der Sozialen Arbeit vor herausfordernde ethische und professionelle Entscheidungen. [20]

3.   Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit

Soziale Arbeit wird auch als Menschenrechtsprofession bezeichnet. Das Eintreten für diese Menschenrechte und die Förderung der sozialen Gerechtigkeit sind essentiell für die Soziale Arbeit. Ungleichheiten, Benachteiligung und Diskriminierung sollen abgebaut werden.[21]

4.   Partizipation und Empowerment

 Die Soziale Arbeit hat das Anliegen, die aktive Beteiligung der Adressat*innen an (gesellschaftlichen) Prozessen zu fördern. Menschen sollen befähigt werden, die eigenen Lebensumstände selbstbestimmt zu gestalten.[22]

5.   Interdisziplinarität und Vernetzung:

Wie schon angedeutet ist Soziale Arbeit mit anderen Disziplinen verbunden. Soziale Probleme sind meist vielschichtig und komplex, sodass eine enge Zusammenarbeit von Bedeutung ist.[23]

„Bei der Bearbeitung von sozialen Problemen sind Professionelle der Sozialen Arbeit – neben dem spezifischen Wissensbestand der Sozialen Arbeit – auf Bezugswissenschaften angewiesen. Je nach Situation geht es um Wissen aus den Bereichen Psychologie, Medizin, Psychiatrie, Soziologie, Recht, Medizin, Gesundheit, Ethnologie, Ökonomie, Erziehungswissenschaft etc. Professionelle der Sozialen Arbeit integrieren diese Wissensbestände in ihre Arbeit oder arbeiten mit Fachpersonen der entsprechenden Bereichen zusammen. Ressourcenerschliessung [sic!] und Vernetzung gehören zu den Kernkompetenzen der Sozialen Arbeit. [24]

6.   Berufsethik

Soziale Arbeit orientiert sich an ethischen Prinzipien, die für das eigene Professionsverständnis unerlässlich sind, z.B. Respekt vor der Würde des Einzelnen, dem Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit.[25]

7.   Handlungskompetenz

Soziale Arbeit versteht sich als Profession, die auf Fach- und Methodenkompetenz basiert. Dazu gehört sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Handlungskompetenz in verschiedenen Interventionsformen wie Beratung, Mediation oder Sozialplanung.[26]

8.   Sozialpolitische Verantwortung

Neben der direkten Arbeit mit Adressat*innen übernimmt Soziale Arbeit auch eine gesellschaftspolitische Rolle. Sie wirkt an der Gestaltung von Sozialpolitik mit und tritt für strukturelle Veränderungen ein, um gesellschaftliche Bedingungen zu verbessern.[27] Diese dargelegten Aspekte lassen sich in der folgenden Definition des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. zusammenfassen:

„Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit.“ [28]

 

Christlich-fundamentalistische Weltanschauungen und professionelle Soziale Arbeit


 „In vielen Fällen schafft sich der Fundamentalismus auch seine eigene Infrastruktur, wie Kindergärten, Schulen, Sozialeinrichtungen, Restaurants und Geschäfte. Dies gibt ihm die größere Unabhängigkeit von der weiteren Gesellschaft und erhöht somit seine Chancen, seine Ideologie und Lebensführung an die nächste Generation erfolgreich weiterzuvermitteln.“
[29]

Durch unsere Arbeit beobachten wir zu Teilen die Inanspruchnahme sozialer Infrastruktur wie u.a. das Bildungs-, Gesundheits-, oder Sozialwesen sowie die Wohlfahrtspflege oder auch des Lebenshilfemarktes durch Akteure mit christlich-fundamentalistischer Weltanschauung. Die rechtliche Frage nach der Regelung seriöser Angebote in diesen Bereichen ist unterschiedlich zu beantworten. Für Heil- und Gesundheitsfragen gibt es hohe Hürden (Approbation, Heilerlaubnis etc.).[30] Auch das Schulwesen ist rechtlich stark reglementiert. Gleichzeitig existieren freie Schulen, die ihre weltanschauliche Prägung im Rahmen des gesetzlich möglichen in den Schulalltag miteinfließen lassen (Anthroposophie an Waldorfschulen, Kreationismus an freien christlichen Schulen etc.). Mitunter können sie konfliktträchtig auffallen. Im Bereich des Lebenshilfemarktes sind die gesetzlichen Bestimmungen uneindeutiger, was wir auch im Bereich der Coaching- und Beratungsszene sehen. Der Bereich des Sozialwesens oder des Wohlfahrtswesens ist da ähnlich undurchsichtig und könnte in einer weiteren Ausarbeitung – insbesondere juristisch – reflektiert werden. An dieser Stelle soll vielmehr das Spannungsverhältnis zwischen christlich-fundamentalistischen Weltanschauungen und den Grundlagen professioneller Sozialer Arbeit aus Praxisperspektive beleuchtet werden. Dabei werden drei zentrale Aspekte angesprochen: Trägerstruktur und Professionalisierungsgrad, Probleme der Vereinbarkeit und Beispiele aus der Praxis. Vorangestellt sei der Hinweis, dass das Verhältnis von Sozialer Arbeit und Religiosität wie Spiritualität nicht notwendigerweise problematisch sein muss. Ganz im Gegenteil erwächst in der Fachdebatte ein Bewusstsein über die Potentiale und Grenzen von Spiritualität in Kontexten der Sozialen Arbeit.[31]      

1.   Trägerstruktur und Professionalisierungsgrad

Vereine, Netzwerke oder Gemeinden mit christlich-fundamentalistischem Profil agieren sozialarbeiterisch zum Teil im Sinne eines zivilen-bürgerschaftlichen Engagements. Damit kann einhergehen, dass sich Institutionen und Akteure selbst in anerkannten Wohlfahrtsstrukturen etablieren. Soziales Engagement im zivilen-bürgerschaftlichen Sinne kann dabei eher im Sinne der diakonisch seelsorglichen Arbeit verstanden werden (zivilgesellschaftlich). Der institutionellen Arbeit in anerkannten Wohlfahrtsstrukturen sind eher sozialarbeiterische bzw. sozialdiakonische Bestrebungen zuzuordnen. Ferner ist zwischen den Begriffen ‚sozialarbeiterisch‘ und ‚sozialdiakonisch‘ zu unterscheiden: Sozialarbeiter*innen haben in der Regel ein abgeschlossenes Studium der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik während Sozialdiakon*innen eine kirchlich-diakonische Ausbildung bzw. Studium der Religionspädagogik/Sozialdiakonie absolviert haben, teils mit Zusatz- oder Doppelstudium im Bereich der Sozialen Arbeit. Die weltanschauliche Gebundenheit kann daher variieren. Allgemein finden sich beide Professionen aber in den großen Wohlfahrtsverbänden wieder, die ja auch weltanschaulich unterschied­lich geprägt sind (AWO, DAK, Diakonie, Caritas etc.). Logischerweise existieren im großen Feld an christlichen Konfessionen unterschiedliche Anbieter mit diverser weltanschaulicher Bindung und Ausrichtung. So sind auch die gesetzlichen Grundlagen verschieden (Sozialge­setzbuch, Kinder- und Jugendhilfe, kirchliche Ordnungen, Status der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts, kirchliches Arbeitsrecht usw.). Auch die Ausbildungswege sind ver­schieden bspw. Universitäten und Fachhochschulen. Manche von ihnen sind weltanschaulich geprägt, andere nicht. Auch die staatliche Anerkennung der Institution und staatliche Akkreditierung der Abschlüsse variieren und sind wichtig zu überprüfen. In der Praxis beobachten wir, dass die Grenzen zwischen einer ‚professionellen‘ Ausübung der Sozialen Arbeit und einem ‚laienhaften‘ Engagement fließend sind. Das sehen wir auch in den Bemühungen um behördliche Legitimation (Betriebsgenehmigung, Subventionen etc.) zur Etablierung oder Ausweitung eines bestimmten Angebotes. Die Haltungen und Intentionen bestimmter Akteure sind dabei nicht immer sofort ersichtlich.[32] Akteure, die einer christlich-fundamentalistischen Weltan­schauung nahestehen, unterscheiden sich einerseits durch ihre institutionelle Gestaltung (Einzelperson, Verein, Gemeinde). Zum anderen differieren ebenfalls die Kontexte der Unterstützungsleistung (Suchthilfe, Streetwork, Sexarbeit, Kinder- und Jugendhilfe, psychosoziale Beratung, Gefängnisarbeit etc.).      

2.   Probleme der Vereinbarkeit: Konfliktpotenzial

Im Folgenden sollen Aspekte benannt werden, welche auf eine Konfliktträchtigkeit von christlich-fundamentalistischer Weltanschauung in Angeboten der Sozialen Arbeit hinweisen können.

a. Fachliche Ausbildung und Methodik

Professionelle Soziale Arbeit wird von Menschen ausgeführt, die eine Ausbildung in staatlich anerkannten Einrichtungen genossen haben. Damit einher geht die Erkenntnis von wissenschaftlich fundierten Methoden, die durch Forschung und Praxis evaluiert werden. Christlich-fundamentalistische Angebote hingegen setzen z.T. auf ehrenamtliche und/oder laienhafte Angebote. Personen, die sich engagieren, haben häufig andere Berufe. Zum Teil sind sie auch Prediger*innen, Pastor*innen oder (‚theologische‘) Leiter*innen in einer Gemeinde und nutzen Ihre Rolle, um sich sozial einzubringen. Mitunter orientieren sie sich an starken religiösen Dogmen, Absolutheitsansprüchen sowie Modernitätsablehnungen – Wissenschaftlichkeit wird zuteilen aus zuvor genannten Gründen abgelehnt. Es ist jedoch auch möglich, dass Angebote von Personen ausgeführt werden, die eine seriöse Ausbildung vorgeben, um die formalen Anforderungen einer professionellen Qualifikation zu erfüllen. Bei genauerer Betrachtung kann jedoch auffallen, dass die tatsächliche Umsetzung der Hilfeleistungen oft nur wenig mit echten professionellen Standards zu tun hat, da die religiöse Prägung unreflektiert mit einfließt.      

b. Ethik

Ethische Prinzipien in der Sozialen Arbeit sind eine wichtige Grundlage der Berufsprofession. Die Achtung der Würde und der Rechte aller Menschen sowie die Prinzipien der Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit sind essenziell für sozialarbeiterisches Handeln. Christlich-fundamentalistische Angebote hingegen haben z.T. nur einen begrenzten ethischen Reflexionsrahmen, sodass Freiheit und Gleichheit nur in Abhängigkeit zum absoluten Wahrheitsanspruches des eigenen Glaubens verstanden werden.      

c. Autonomie und Partizipation

Professionelle Soziale Arbeit legt großen Wert auf Autonomie der Adressat*innen. Somit geht es darum, den/die Adressat*in bei eigenen persönlichen Entscheidungen – gerade in vulnerablen Lebenssituationen – zu unterstützen, auch wenn diese von den persönlichen Werten der Sozialarbeiter*innen abweichen. Zudem hat Soziale Arbeit den Wert, die Partizipation und Orientierung von Adressat*innen in der Gesellschaft zu stärken. Christlich-fundamentalistische Angebote hingegen neigen dazu, die Adressat*innen in einer derartigen Rigorosität zu einem bestimmten Glauben oder Lebensstil zu bewegen, dass die Autonomie schwer gewahrt werden kann. Erleichtert wird diese Dynamik in Situationen sozialer Vulnerabilität. Eine Abschottung und Reduzierung des Kontakts auf lediglich ‚Gleichgesinnte‘ führt eher in die Abhängigkeit als in die Selbstständigkeit von Menschen, sodass Partizipation ebenfalls nur schwer gewahrt werden kann.     

d. Neutralität und Toleranz

Professionelle Soziale Arbeit erfordert die Neutralität in weltanschaulichen und religiösen Fragen in der konkreten Unterstützungssituation. Zudem basiert sie auf Prinzipien wie Offenheit und Akzeptanz für die Vielfalt menschlicher Lebensweisen. Christlich-fundamentalistische Angebote hingegen haben häufig klare, dogmatische Vorstellungen davon, wie ein ‚richtiges‘, ‚erfüllendes‘, ‚gutes‘ oder ‚heiliges‘ Leben geführt werden sollte. Häufig münden diese Auffassungen im Versuch, Adressat*innen zu missionieren und ihnen damit die eigenen religiösen Ansichten nahezulege. Dies kann einerseits als Bedingung der Hilfeleistung dienen, andererseits als Erklärung und Lösung für die Notsituation.          

3.   Fallbeispiele[33]

a. Fallbeispiel 1

Eine Fachkraft aus dem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wandte sich an uns und berichtete von einem Klienten – nennen wir ihn Leo - der aufgrund psychischer Herausforderungen und Drogenproblemen begleitet wird. Zusätzlich bestehen eine gesetzliche Betreuung sowie weitere professionelle Hilfesysteme. Die Fachkraft teilte mit, dass er auf der Straße von Personen angesprochen wurde, die sich als Streetworker ausgaben. Diese behaupteten, ihm helfen und ihn von seiner Drogensucht befreien zu können. Sie luden ihn ein, in eine Einrichtung zu kommen, was der junge Mann auch tat. Er entschied sich, mit den beiden Personen mitzugehen und wollte nicht mehr zu seiner ursprünglichen Unterkunft zurückkehren.

Die neue Unterkunft wird von einem Verein betrieben, der von ehrenamtlichen Helfer*innen geleitet wird. Die Betreiber*innen leben einen aktiven Glauben an Jesus Christus und bieten Platz für etwa zehn Teilnehmer*innen. Sie wohnen gemeinsam mit ihren Kindern und Familien in einem Haus, das eine Art Wohngemeinschaft für die Klient*innen darstellt. Voraussetzung für den Aufenthalt ist die Teilnahme am gelebten Glauben, das Beten und die Teilnahme an Bibelstunden. Zudem gibt es einen strukturierten Tagesablauf, der auch Arbeiten im Handwerk umfasst. Der Verein ist an eine nahegelegene Freikirche angebunden und auch innerhalb städtischer Hilfestrukturen vernetzt. Die verantwortlichen Mitarbeiter*innen und Familien weisen keine beruflichen Qualifikationen im Bereich der Sozialen Arbeit auf – lediglich sagen sie von sich, dass sie sich als gläubige Christ*innen verstehen und aus dem Gebot der Nächstenliebe helfen möchten.

Als der Kontakt zum jungen Mann wiederhergestellt werden konnte, zeigte er zunächst keine Bereitschaft, zurückzukehren. Die gesetzliche Betreuerin intervenierte daraufhin und beendete seinen Aufenthalt in der Einrichtung, sodass der junge Mann schließlich wieder zurückkehrte. In einem Gespräch mit dem Leiter des Vereins äußerte dieser, dass er ihm helfen würde, von den Drogen loszukommen und dass es dafür nur Jesus Christus brauche.

 

b. Fallbespiel 2

Eine Person meldet sich bei uns in der Beratungsstelle. Wir nennen ihn hier Max. Er möchte seine Erfahrungen mit uns teilen. Er lebte in einem streng-fundamentalistischen Umfeld, in dem es ihm zunehmend schlecht ging. Auf der Suche nach Hilfe wurde ihm von seinem Umfeld ein christlicher Verein empfohlen, an den er sich dann auch wandte. Dieser kümmert sich um Menschen in unterschiedlichen, vulnerablen Lebenssituationen. Der Verein wurde von einer Einzelperson gegründet und aufgebaut. Diese Person erzählt auf verschiedenen Social Media Plattformen ihre eigene Lebensgeschichte und was sie dazu bewegt hat, diesen Verein zu gründen. Grundlage sind ihre persönlichen Erfahrungen und ihr Glaube. Sie verfügt über keinerlei Ausbildung oder Qualifikation im Bereich der Sozialen Arbeit. Auch die anderen Mitarbeiter*innen weisen keine Ausbildung in diesem Bereich auf. Die Gründerperson ist mit anderen Hilfeträgern vernetzt und wirbt mit finanziellen Spenden von seriösen Betrieben aus der Region.

Max berichtet uns von seinen Erfahrungen, die er während seiner Zeit in dem Verein gemacht hat. Der Verein hat mehrere Häuser gebaut, in denen die Bewohner*innen zusammen mit ehrenamtlichen Betreuer*innen wohnen. Auch die Leitung ist häufig vor Ort. Zu Beginn müssen die Handys abgegeben werden. Der Alltag ist stark auf die Bibel und den Glauben ausgerichtet. Es geht hauptsächlich um Gott, Sünden und Vergebung. Dies sei der Schlüssel und die Lösung für ein gutes Leben.

Am anstrengendsten für Max waren die Konferenzen, die die Bewohner*innen besuchen. Diese Veranstaltungen werden in einer Freikirche mit einem ‚Pastor‘ abgehalten und dauern viele Stunden. Dämonen werden ausgetrieben und andere ekstatische Gebete vollzogen. Teilnehmer*innen, welche die Teilnahme verweigern werden unfreundlich behandelt und als ‚vom Glauben abgefallen‘ bezeichnet. Max berichtet, dass Druck auf entsprechende Personen ausgeübt wird, sich endlich zu bekehren, vor allem von der Leitung selbst. Manche halten dem Druck nicht stand und müssen in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden.

4.   Checkliste

Die vorangegangenen Fallbeispiele zeigen einige Aspekte unprofessioneller Sozialer Arbeit, die uns in unserem Arbeitsfeld begegnen. Für einen zusammenfassenden Überblick dienen die nachfolgenden Aspekte als Checkliste für unseriöse Hilfeleistungen im Sozialwesen:

o   Der hilfeleistende Träger beschäftigt Personen, die über keine oder eine unzureichende berufliche Qualifikation verfügen und gestaltet sein Hilfsangebot ausschließlich oder überwiegend religiös gefärbt. Hilfe ist untrennbar mit der Frömmigkeitspraxis des Trägers verbunden. Damit kann es zu unprofessionellen Hilfsangeboten kommen,
bspw. kalter Entzug nur durch Gebet.

o   Die hilfeleistende Person achtet die Grenzen zwischen privater und beruflicher Zuwendung nicht. So kommt es vor, dass die Hilfeleistung für die Adressat*innen in privaten Räumen stattfindet.

o   Der hilfeleistende Träger, z.B. ein Verein, agiert isoliert von anderen wohlfahrtsstaatlichen Strukturen. Eine (interdisziplinäre) Vernetzung oder Zusammenarbeit ist nicht erkennbar.[34]

o   Voraussetzungen der Hilfeleistung sind die Teilnahme an Gottesdiensten, Glaubensver­anstaltungen, Hauskreisen etc. Die Freiwilligkeit wird dabei kaum oder gar nicht gewahrt.

o   Der hilfeleistende Träger bietet religiöse Veranstaltungen an, in denen die Adressat*-innen mitunter Grenzverletzungen erleben, bspw. Dämonenaustreibung, Heilungspraktiken, starke Ekstase.

o   Der hilfeleistende Träger bewegt die Adressat*innen explizit oder implizit zur Abwendung von alten Kontakten, Familienmitgliedern. Grund dafür ist der Glaube und die damit einhergehende Trennung von der ‚alten, sündigen‘ Welt.

o   Der hilfeleistende Träger kommuniziert in seinem Hilfsangebot häufig über dualistische Denkstrukturen wie z.B. gut/böse, Himmel/Hölle, Gott/Teufel, gesund/krank, errettet/ verdammt, Glaube/Sünde, Licht/Finsternis, Rein/Unrein, Zukunft in Heiligkeit/Vergangenheit in Sünde.

o   Der hilfeleistende Träger tabuisiert ‚weltliche‘ Lebensweisen, Werte und andere Religionen.

o   Soziale Notlagen werden überwiegend als Ursache einer fehlenden/mangelnden Gottesbeziehung gedeutet.

o   Adressat*innen werden durch einen hilfeleistenden Träger von bereits bestehenden, stabilen Hilfesystemen abgeworben ohne auf kooperative Zusammenarbeit zurückzugreifen.

o   Der hilfeleistende Träger verfolgt oder äußert antidemokratische Ideen, die den Grundsätzen der Sozialen Arbeit gegenüberstehen.

 

Fazit


Die Vereinbarkeit von christlich-fundamentalistischen Angebote in Kontexten professioneller Sozialer Arbeit steht in einem Spannungsverhältnis. Rigide bis radikale Sichtweisen auf Religion/Spiritualität, auf Moral und gesellschaftliche Normen stehen einem Verständnis von Sozialer Arbeit als Menschenrechtsprofession gegenüber. Grundprinzipien wie Neutralität, Akzeptanz, Selbstbestimmung und Vielfalt werden missachtet. Professionelle soziale Arbeit fordert respektvolles, wertfreies und adressat*innenzentriertes Handeln. Grenzverletzungen und Übergriffigkeit sind zu vermeiden:

„[Somit] kann bewusst werden, weshalb vor allem religiöser Fundamentalismus so verführerisch ist und zugleich einen Schrecken darstellt, der Menschen entführt und auch verführt. In seinen extremen Varianten zerstört er die Unaufhebbarkeit der Dialektik von Glauben, Wissen und Vernunft zugunsten einer doktrinären Ideologie, die Macht über Menschen gewinnt statt Religion, Religiosität und Spiritualität als Methode des freien und guten Lebens zu sehen. Diesem Schrecken kann und muss Soziale Arbeit als kritisches und reflektiertes Wissenssystem begegnen, indem sie Glauben im weitesten Sinne und das Wissen wieder zusammenführt, ohne sie zu vermischen.“ [35]

Zwar ist es auch aufgrund des Vielfaltsangebots erlaubt, christlich-fundamentalistische Angebote im Bereich der Sozialen Arbeit zu gestalten, sie dürfen aber rechtliche und ethische Standards nicht verletzten. Gilt ‚der‘ Glaube an Gott mit entsprechender Lebensführung als einzige Wahrheit des eigenen Handelns, wird die Komplexität von psychischen, gesundheitlichen und sozialen Umständen ignoriert. Ganz im Sinne des Zitats ist anzufragen, ob sich wohlfahrtstaatliche Versorgung erlauben kann, auf benannte weltanschaulich gefärbte Angebote zurückzugreifen, wenn sie sich als professionell und verantwortungsvoll verstehen will.

 

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[1] Anzumerken ist hier die Schwierigkeit einer Begriffsbestimmung, „da die Übergänge zwischen dem Evangelikalismus, dem sogenannten Mainstream-Protestantismus […], dem Pfingstchristentum, dem christlichen Fundamentalismus und anderen christlichen Konfessionen und theologischen Strömungen fließend und unüberschaubar sind“ (Hochgeschwender 2017, 21).

   Gerade die Begriffe Evangelikalismus und Fundamentalismus neigen dazu, gleichgesetzt zu werden, was allein aus ihrer historischen Entstehung falsch wäre (vgl. Hempelmann). Die konkreten Zusammenhänge und Unterschiedlichkeiten beider Phänomene sind in diesem Abstract nicht zu erfassen. (Zur weiteren Beschäftigung siehe Handbuch Evangelikalismus (vgl. Elwert et al. 2017) und die Beiträge von der EZW zum Thema Fundamentalismus/Evangelikalismus (vgl. Fritz 2021a, Hempelmann 2024a, Hempelmann 2024b). Vielmehr soll der Fokus hier auf Aspekten einer christlich-fundamentalistischen Theologie und Weltanschauung liegen, die wir in der Praxis konfessions- und gruppenübergreifend beobachten.

[2] Hier sei exemplarisch auf die Publikationen von Martin Fritz zum christlichen Fundamentalismus hingewiesen (vgl. Fritz 2021a) und seine Publikation über einen evangelikalen Podcast mit fundierter Beschreibung evangelikaler Theologie (Fritz 2024a).

[3] Riesebrodt 2005, 18.

[4] Vgl. ergänzend dazu die neun Kriterien zum religiösen Fundamentalismus von Almond et al. 1995, entnommen aus Emerson/Hartmann:

   Ideologisch: 1. Reaktivität auf die Marginalisierung von Religion, 2. Selektivität, 3. Dualistische Weltansicht, 4. Absolutismus & Irrtumslosigkeit, 5. Millenarismus & Messianismus

   Organisatorisch: 1. Auserwählte Mitgliedschaft, 2. Extreme Abgrenzung, 3. Organisation mit autoritären Führern, 4. Verhaltenskodex (vgl. Emerson/Hartmann 2006, 134).

[5] Karle 2020, 44.

[6] Vgl. hierzu u.a. Publikationen zum Thema Christfluencer*innen: vgl. Neumaier 2022, vgl. Jetter 2023, vgl. Pohl 2024.

[7] Brand Science Institute 2025: https://bsi.ag/cases/68-case-studie-die-digitale-transformation-des-glaubens-fast-content-als-chance-und-herausforderung-fuer-religion-und-theologie.html.

[8] Siehe dazu die Kinderschutzbroschüre des Sekten-Info-NRW: Glaubensfreiheit vs. Kindeswohl. Familienrechtliche Konflikte im Kontext religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften (vgl. Gollan et al. 2018).

[9] Vgl. Gollan 2024: Fachartikel zum Thema Zur detaillierten weiterführenden Beschäftigung der Thematik sei auf die ausgezeichnete Publikation von Maria Hinsenkamp hingewiesen: ‚Visionen eines neuen Christentums. Neuere Entwicklungen pfingst-charismatischer Netzwerke.‘ Ihre Dissertation beschreibt das theologisch-weltanschauliche Konzept dieser Bewegung und dessen Anspruch, Christentum und Gesellschaft zu transformieren. Dabei werden u.a. Vernetzungen aus Politik, Kultur und Unterhaltungsbranche aufgedeckt und viele Akteure der Szene benannt (Hinsenkamp 2024). Ebenfalls ist sie in diesem Podcast von SWR Wissen zu hören: https://www.swr.de/swrkultur/wissen/christlicher-fundamentalismus-in-deutschland-antiliberal-und-vernetzt-das-wissen-2025-04-19-102.html.

[10] Vgl. Gollan 2024: Fachartikel zum Thema Aufwachsen mit Verschwörungstheorien und Staatsablehnung – Kinderschutz im Kontext des „Reichsbürger-“, „Selbstverwalter-“ und „Delegitimierer-Milieus“, in dem es auch um 2 Freikirchen geht: https://sekten-info-nrw.de/information/artikel/recht/aufwachsen-mit-verschwoerungs-theorien-und-staatsablehnung-%E2%80%93-kinderschutz-im-kontext-des-%E2%80%9Ereichsbuerger-%E2%80%9C,-%E2%80%9Eselbstverwalter-%E2%80%9C--und-%E2%80%9Edelegitimierer-milieus%E2%80%9C.

[11] Vgl. hierzu u.a. SRF-Doku 2022: Radikale Christen – Mein Ausstieg aus der OCG (1/2) | Ivo Sasek und seine Sekte: https://www.youtube.com/watch?v=QDtyu4_5EaE.

[12] Vgl. Liebentritt 2020 und Pöhlmann 2021, 2023.

[13] Vgl. Land Baden- Württemberg 2024: Verfassungsschutzbericht 2023, S. 85f.: https://www.verfassungsschutz-bw.de/site/pbs-bw-lfv-root/get/documents_E-1675609796/IV.Dachmandant/LfV_Datenquelle_neu/Publikationen/ Jahresberichte/Verfassungsschutzbericht Baden-W%C3%BCrttemberg 2023.pdf.

[14] Vgl. Frankenreiter 2024: Bericht über die Ende 2024 geführte Gerichtsverhandlung gegen den Prediger wegen Volksverhetzung: https://bnn.de/pforzheim/pforzheim-stadt/prediger-in-pforzheim-wegen-volksverhetzender-aussagen-zu-geldstrafe-verurteilt.

[15] Land Baden-Württemberg 2024, 86.

[16] Vgl. hier vor allem Rudolphi 2023: Publikation von Dr. Daniel Rudolphi, Weltanschauungsbeauftragter der Hannoverischen Landeskirche, der ein Netzwerk der ‚christlichen Rechten‘ analysiert. Er deckt einerseits zahlreiche Vernetzungen auf und problematisiert andererseits verschwörungstheoretische, antidemokratische sowie antisemitische Inhalte mitwirkender Akteure und deren Verhältnis zu Staat und Demokratie.

[17]Vgl. weiterführend die folgenden Publikationen:
1.) die Einspruchsstudie der Arbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R) zur Vereinnahmung von Theologie durch die extreme Rechte. In vier Publikationen widmen sich jeweils verschiedene Fachleute einem bestimmten Thema zur Verdeutlichung der Vereinnahmung von Theologie von rechts
: https://bagkr.de/publikationen/.

   2.) Martin Fritz zu den Grundmotiven der christlichen Rechten in Deutschland (vgl. Fritz 2021b).

   3.) Liane Bednarz zur Unterwanderung von Gesellschaft und Kirche durch rechte Christ*innen (vgl. Bednarz 2018).

[18] Vgl. u.a. Becker-Lenz et al. 2009.

[19] Vgl. u.a. Birgmeier/Mührel 2017, Becker-Lenz et al. 2009.

[20] Vgl. u.a. Wendt 2021, 28f.

[21] Vgl. u.a. Staub- Bernasconi 2019, Spatscheck/Steckelberg 2018.

[22] Vgl. u.a. Wendt 2021, 38ff., Herringer 2010.

[23] Vgl. u.a. Wider 2013.

[24] Wider 2013, 10.

[25] Vgl. u.a. Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. 2014b, Merten/Zängl 2016.

[26] Vgl. u.a. Heiner 2023, Wendt 2021.

[27] Vgl. u.a. Fehmel 2022, Benz et. al. 2011.

[28] Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e. V. 2014a.

[29] (Riesebrodt 2005, 23)

[30] Vgl. hierzu den Artikel unserer Juristin „Rechtliche Grenzen nicht wissenschaftlicher Heilmethoden“ (Gollan 2021).

[31] Vgl. dazu: 1.) Dhiman/Rettig 2017a: ‚Spiritualität und Religion: Perspektiven für die Soziale Arbeit.‘
2.)
Lutz/Kiesel 2022: ‚Sozialarbeit und Religion. Herausforderungen und Antworten.‘ Die Herausforderungen und Chancen zum Verhältnis von Religion und Sozialer Arbeit sind vor allem in diesem Werk ausführlich besprochen und daher für eine detailreichere Thematisierung zu nennen. Sie widmen sich in Ihrem Buch ausführlich der Thematik ‚politischer/religiöser Fundamentalismus‘.

[32] Vgl. Exemplarisch: Panorama Beitrag über Mission Freedom: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Panorama-3,panoramadrei4708.html.

[33] Beide Fallbeispiele sind fiktiv formuliert, um die Anonymität zu waren. Die Schilderungen enthalten aber wahre Erlebnisse aus der Praxis.

[34] Hier ist wichtig zu betonen, dass es sehr wohl Träger gibt, die in Kooperation agieren, Ansehen genießen oder sogar Preise erhalten. Und dennoch ist ein unseriöses Vorhaben öffentlich dokumentiert und die stark religiöse Färbung sowie daraus entstehende Unseriosität gut zu erkennen.

[35] Lutz/Kiesel 2022, 10.