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Rezension zum Erfahrungsbericht:

Nicht ohne meine Schwestern

Gefangen und missbraucht in einer Sekte – unsere wahre Geschichte


Die drei Schwestern Celeste Jones, Kristina Jones und Juliana Buhring widmen dieses Buch ihrer Schwester Davida, die 2005 an einer Überdosis Heroin starb. Sie schildern sehr emoti­onal ihre erschütternde Geschichte von frühester Kindheit, bis hin zum Ausstieg aus einem pseudoreligiösen System mit dem Namen: „Die Kinder Gottes“.

„Die Kinder Gottes“ hat ihren Ursprung unter der Hippie- und Aussteigerbewegung Kalifor­niens der späten Sechzigerjahre. David Berg, Gründer und „Prophet“, lässt seine Anhänger weltweit missionieren und gründet eine Vielzahl von „Kolonien“ (Wohngemeinschaften) aus Missionaren. Der öffentliche Druck gegenüber der Gruppe wächst schnell. Man wirft ihr weltweit Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung vor. Feste Wohnsitze der Mitglieder sind eine Seltenheit, gesuchte Personen wechseln wahllos ihre Namen. Autoritäten neben David Berg werden strikt abgelehnt, weil sie zum „System“ (Gesellschaft außerhalb der Gruppe) gehören, wie zum Beispiel auch die Kirche, die Schule oder die Schulmedizin. Bereits Ende der Siebzigerjahre kommt es deshalb zu einer offiziellen Auflösung der Gruppe und Berg rät seinen Anhängern, in den Untergrund zu gehen, benennt die „Kinder Gottes“ um in „Familie der Liebe“ und später in „Familie“. Nach dem Tod Bergs 1994 übernimmt seine zweite Ehefrau Maria, genannt „Queen Maria“, und ihr Mann Peter, genannt „King Peter“, die Leitung der Gruppe.

Drei Schwestern, von denen man eigentlich annehmen sollte, dass sie eine gemeinsame Geschichte haben, schildern hier sehr beeindruckend ihre ganz unterschiedlichen persön­lichen Schicksale. Trotzdem wird man beim Lesen schnell bemerken, dass es doch einige Gemeinsamkeiten zwischen den Geschwistern gibt, auch wenn man diese nicht als positiv charakterisieren kann:

  • sie wurden in eine Gemeinschaft „Die Kinder Gottes“ hineingeboren, ohne jegliche Chance auf Autonomie

  • ihr leiblicher Vater ist ein bedingungsloser Anhänger Bergs, der „Familie“ direkt unterstellt

  • sie wurden schon als Kinder systematisch gepeinigt

  • sie wachsen getrennt von ihrer Familie auf und ihr Leben wird nur von einem Mann bestimmt: David Berg, genannt „Moses David“ kurz „Mo“

 

Erster Teil: Celeste

Celeste bleibt nach der Trennung ihrer Eltern bei ihrem Vater. Jahrelang hofft sie vergebens auf ein Wiedersehen mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Durch den Missionseifer und die bedingungslose Aufopferungsbereitschaft des Vaters, wächst Celeste in den unter­schiedlichsten Familien auf. Angeregt und befürwortet von den Erwachsenen, macht sie hier bereits mit 5 Jahren ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit einem gleichaltrigen Jungen. Ihr detaillierter Bericht darüber schockiert den Leser. Als sie mit 13 Jahren erfährt, dass ihre Mutter ins „System“ zurückgekehrt ist, also die Kinder Gottes“ verlassen hat, ist sie zu tiefst enttäuscht von deren Entscheidung. Trotzdem beginnt sie sich zu fragen, ob ihre Mutter wirklich der „Teufel“ ist, oder will sie vielleicht ihre Kinder retten?

 

Zweiter Teil: Juliana

Schon früh wird Juliana von ihrer Mutter und ihrem Vater getrennt. Sie beginnt ihre Geschichte als Dreijährige in einer Kommune in Manila, in der sie sehr unter der Brutalität ihres Vormundes „Onkel Dan“ leidet. Mit 5 Jahren beginnt eine kurze aber glückliche Phase ihres Lebens. Sie darf mit Celeste kurzzeitig bei ihrem Vater leben. Aber bereits ein Jahr später wird sie ins „Jumbo“ geschickt, dem ersten Internat der „Familie“. Hier beginnen auch ihre intensiven und für den Leser erschreckenden Erfahrungen mit unterschiedlichen Sex­praktiken und ausgiebigen, schmerzhaften Züchtigungen.

 

Dritter Teil: Kristina

Trotzdem Kristina bei ihrer Mutter aufwächst, kann sie sich nur an wenige glückliche Momente in ihrer Kindheit erinnern. Vielmehr erinnert sie sich an einen unberechenbaren, brutalen und zu tiefst verabscheuungswürdigen Stiefvater und eine sehr zerbrechliche Mutter. Bereits mit 3 Jahren wird sie von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht, und erduldet in den kommenden Jahren mehr körperliche und seelische Grausamkeiten, als ein Mensch normalerweise ertragen kann. Einige Jahre später erlebt Kristina den Wandel im Denken ihrer Mutter und die Flucht aus der „Familie“.

 

Vierter Teil: Aufbruch in die Freiheit

Den vierten Teil des Buches gestalten die Schwestern gemeinsam, indem sie abwechselnd ihren Ausstieg und ihren weiteren Werdegang darstellen. Dem Leser werden bedeutende Höhepunkte des Zusammenwachsens der Familie aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Bestimmte Ereignisse im Leben der Schwestern, wie zum Beispiel der häufige Namens- oder Ortswechsel, werden nun mit Wissen über die Gruppenstrukturen der „Familie“ gefüllt.

Der Leser wählt mit diesem Buch einen Erfahrungsbericht, der es in sich hat. Nur mit dem nötigen Hintergrundwissen über den Gründer und Leiter der „Kinder Gottes“ David Berg, als einen extrem sexbesessenen Mann, kann man die teilweise erschreckenden und deutlich geschilderten Übergriffe einordnen. Die häufigen Namens- Orts- und Partnerwechsel erschweren vielfach das Lesen.

Ein sehr interessanter Aussteigerbericht. Allerdings schockiert dieser Bericht durch die deutlichen Miss­brauchs- und Misshandlungsschilderungen, macht wütend und erschüttert.

 

Die Autorinnen:

Celeste Stones, 2006 Abschluss in Psychologie und Erziehungs­wissenschaft, lebt in Bristol, arbeitet im Kinderhilfswerk

Kristina Jones, leitet eine Chocolaterie

Juliana Buhring, studiert Philosophie und Psychologie

Broschiert:

430 Seiten

Verlag:

Bastei Lübbe; Auflage: 1, Februar 2009

ISBN:

978-3-404-61647-3

Originaltitel:

Not without my sister

Preis:

8, 99 Euro