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Im Sog der Verschwörungstheorien

Ich bin in der Vergangenheit, im Wesentlichen über das Internet, mit Verschwörungstheorien in Berührung gekommen. Zentral waren dabei v.a. YouTube-Videos eines Esoterikers, die sich zunächst tiefgründig und auch irgendwie interessant anhörten. Es wurden darin verschiedenste Themen des Weltgeschehens beleuchtet und diese so dargestellt, als könne man sozusagen „hinter die Kulissen“ dieses Geschehens blicken. Es wurde ebenfalls gesagt, dass Vieles in Wirklichkeit ganz anders sei, als in den Medien berichtet.

Während es anfangs noch mit einer gewissen Faszination auf mich wirkte, wurden die Inhalte der Videos mit zunehmender Zeit immer besorgniserregender, was gleichzeitig wieder den Antrieb dafür bildete, auch das nächste Video zu „konsumieren“ und von da aus weiter zu „recherchieren“. Letztlich ein Teufelskreis, was mir aber erst einige Zeit später wirklich bewusst wurde.

Das zentrale Thema, um das sich - mehr oder weniger - alles drehte, war ein „System der Weltverschwörung“ mächtiger Kreise im Hintergrund. Fakt ist, dass ich nach einiger Zeit daran geglaubt habe und mich auch im Internet dazu äußerte, in dem Glauben, dass diese Dinge wahr seien. Meine Äußerungen sind unter dem Eindruck dieser Verschwörungstheorien entstanden, die ich als sehr beunruhigend empfand, wobei mich überwiegend Sorge und Angst trieben, jedenfalls keine niederen Beweggründe. Ich dachte vielmehr, es sei erforderlich auf diese Dinge hinzuweisen. Das Echo hierauf war geteilt, es kam natürlich auch heftige Kritik.

Irgendwann bemerkte ich, dass es sich bei Verschwörungstheorien um „ein Fass ohne Boden“ zu handeln schien, denn es gab immer noch ein weiteres Thema, das das Vorhergehende „toppte“ (Chemtrails, HAARP, Außerirdische ?!…). Faktisch wurden diese Dinge immer belastender für mich und irgendwann war ein Punkt erreicht, an dem ich die Notbremse zog. Es wurde mir zu viel, denn es schien, keine Grenzen zu geben. Mir wurde klar, dass diese Dinge mittlerweile einen Teil meines Lebens eingenommen hatten und mich immer mehr ängstigten, denn vieles davon war sehr negativ.

Von da an begann ich, den Spieß umzudrehen und mich damit auseinanderzusetzen, was gegen diese Theorien spricht. Glücklicherweise hatte ich diesen Refleximpuls (ich verspürte den Drang, dies tun zu müssen). Ich hinterfragte fortan diverse „Informationsquellen“, u.a. auch den o.g. „Esoteriker“, der (leider) sehr glaubwürdig in seiner Argumentation wirkte. Das Ergebnis war für mich einigermaßen erschreckend, denn ich musste davon ausgehen, dass dieser eventuell „reichsbürgernahe“ Bezüge aufweist. Zwar ist mir dies nicht sicher bekannt, aber ich würde es rückwirkend betrachtet so einschätzen. Er ist zwar ein absolut friedlicher Mensch, dennoch sehe ich gewisse Bezüge zu dieser Thematik und ich hatte dies überhaupt nicht bemerkt.

Über ein Buch, welches Verschwörungstheorien wissenschaftlich erläutert (Autor: Thomas Grüter), wurde mir bewusst, dass Verschwörungstheorien in der Geschichte der Menschheit immer wieder auch zur Diffamierung diverser Gruppen oder Gruppierungen von Menschen durch - mehr oder weniger - erfundene und konstruierte Theorien verwendet wurden. Ich hatte früher schon einmal etwas darüber gelesen, es war mir aber nicht mehr präsent.

Das Hinterfragen der besagten Theorien und der Quellen führte zu der Erkenntnis, dass schlüssige und in sich logisch erscheinende Theorien keinerlei Beleg für deren Wahrheit darstellen. In einem Gerichtsverfahren und in der Wissenschaft an sich eine Selbstverständlichkeit, denn hier zählen i.d.R. nur Beweise. Ich war selbst überrascht über meine Leichtgläubigkeit. Zudem konnte ich nach Hinterfragung der Quellen nicht mehr ausschließen, dass derartige Theorien aus sehr unterschiedlichen Motiven heraus verbreitet werden und dies nicht nur in guten Absichten geschieht, auch wenn es noch so "gut“ oder „tiefgründig“- im esoterischen Mantel verpackt - daherkommt. Auch dies hatte ich nicht wirklich bemerkt, vielmehr ging ich zunächst von guten Absichten aus, da es sich ja nicht böswillig anhörte.

Es ergaben sich weitere Punkte, die mir - bis dahin jedenfalls - nicht offensichtlich waren, z.B. die Unwahrscheinlichkeit des Gelingens einer Verschwörung in einer immer komplexeren Welt, die erforderliche Geheimhaltung unter allen Beteiligten (ohne Ausnahme) und einiges mehr. Die Konsequenz aus alledem konnte nur sein, diese Dinge aus meinem Leben völlig zu verbannen. Seither bewege ich mich im Internet nur noch sehr bewusst und lese nichts mehr von dubiosen Quellen.

In der Folgezeit nahm ich mit der Sektenhilfestelle des Landes NRW in Essen persönlichen Kontakt auf und führte dort nochmals ein ausführliches Gespräch. Ich wollte einfach nochmals wissen, was da mit mir passiert war, mit wem ich es bei besagtem „Esoteriker“ zu tun hatte und mich plagte zudem mein Gewissen und hatte Schuldgefühle. Dort zeigte man viel Verständnis, man kannte detailliert entsprechende Problematiken und ich erhielt weitere Aufklärung zum Thema. Es gibt vor Ort auch Broschüren und Flyer, die hilfreich sind, da darin die vielfältigen Ursachen solcher Phänomene beleuchtet werden (z.B. die digitale Medienlandschaft, Fake News. u.ä.). Mir wurde auch berichtet, dass es sehr schnell gehen kann, dass man an derartige Theorien zu glauben beginnt, was psychologisch untersucht ist. Ich kann den Gang zur Sektenhilfestelle bei ähnlichen Problemstellungen daher nur empfehlen.

Letztlich konnte ich mich glücklich schätzen, den Ausstieg aus diesen Themen noch selbständig gefunden zu haben. Im Nachhinein betrachtet, tut es mir leid und ich bereue es. Es hat mich einige Monate meines Lebens gekostet und diese Zeit hätte ich in Sinnvolleres stecken können. Da es nichts Schlechtes gibt, was nicht auch etwas Gutes in sich trägt, hat das Ganze dennoch noch etwas klein wenig Positives. Zum einen hätte ich vermutlich nie über das ein oder andere nachgedacht (z.B. die Schere zwischen arm und reich, die zunehmende Spaltung in unserer Gesellschaft, u.ä.). Zum anderen wurde mir bewusst, dass ein bloßes Denken in „Schwarz und Weiß“ wenig Sinn macht und es dazwischen noch Vieles gibt, was man einfach bei der Betrachtung der Dinge nicht vergessen darf:

Eben auch das viele Gute in der Welt zu benennen und zu schätzen und nicht das Negative „herauszukehren“. In Verbindung damit einer These hinterher zu hecheln, bei der noch dazu Unklarheit darüber besteht, was davon wahr ist oder überhaupt wahr sein kann.

Der entscheidende Unterschied liegt in der Denkweise und auch in der Wertigkeit.

 

-> Checkliste zur Beurteilung von Verschwörungstheorien