Beratung und Information zu neuen religiösen und ideologischen Gemeinschaften und Psychogruppen
gefördert durch das
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Fake News, Verschwörungstheorien & Reichsbürger

Die Vielzahl der durch die Medien geisternden Begriffe und Themen über die Inter­netmedien und sozialen Netzwerke sorgen bei etlichen Mitmenschen für zuneh­mende Verunsicherung: Cyberangriffe, Hass-Kommentare, Medienkrise, Filter­blasen, Informationskrieg, „post­faktisch“, Verschwörungs­theorien, Wahlbeeinflussung durch SocialBots, Gefährdung der Demokratie, …usw.

Sie zeichnen ein durch die Geschwindigkeit verwischtes Bild des laufenden Trans­formationsprozesses zu einer digitalen Gesellschaft. Wie immer bilden sich die gesellschaftlichen Themen auch in den Fragestellungen an unsere Beratungs­stelle ab. Verschwörungstheorien und Reichsbürger nehmen mehr Raum bei Bera­tungsfällen ein, der „kreative“ Umgang mit Fakten ist ohnehin fester Bestandteil im Nebeneinander verschiedenster, teils konfliktträchtiger Weltanschauungen. Der schnellere Zugriff auf Informationen erleichtert auch den Konsum gesundheitsge­fährdender Pseudotherapien und ermöglicht eine schnelle Konversion zu konflikt­trächti­gen Gruppen. Verschwörungs­theorien, Scharlatane, fundamentalistische Prediger und salafistische Extremisten bekommen durch die sozialen Netzwerke eine breite Bühne und bieten sich leicht auffindbar an. Wie können Bürger damit umgehen?

Es gibt auch Positives zu erwähnen. Initiativen stemmen sich den Fake News und Hassbotschaften entgegen. Neue Gesetze sollen Datenströme sichern und dabei helfen, Hassbotschaften zu unterbinden. Und das Training der Medienkompe­tenz kann auch helfen, selber mit den Herausforderungen umzugehen. Zur direkten Umsetzung gibt es am Ende dieses Artikels einige Hinweise und Hilfestellungen.

 

Technische Möglichkeiten und gesellschaftliche Entwicklung

Die Möglichkeit, sich in Sekunden Informationen zu beschaffen und sich darüber aus­tauschen zu können ist ein Beschleunigungsfaktor, der die Gesellschaft und die sozialen Interaktionen in hohem Maße verändert. Es profitieren die fachüber­grei­fende Forschung (z.B. Bio-Informatik), die Produktion mit Industrie 4.0. und jene, die an und mit der Vernetzung durch das „Internet der Dinge“ arbeiten. Wie immer bergen neue Entwicklungen hoffnungsvolle Möglichkeiten in sich, sorgen angesichts der Unübersehbarkeit der Folgen aber auch für Verunsicherung. Die Digitalisierung schafft neue Abhängigkeiten, Cyber­kriminalität bedroht ganze Infra­strukturen. China testet ein durch Informationstechnologie gestütztes, soziales Punk­tesystem zur Kontrolle der Bevölkerung. 2020 soll es flächendeckend eingesetzt werden.[1]

Das Internet ist für viele zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden, beruflich wie privat. Mit dem Siegeszug der Smartphones erhöht sich die Beteiligung breiterer Bevölkerungsgruppen an den sozialen Netzwerken - und damit ihre Erreichbarkeit, sowie die Verfügbarkeit ihrer Daten. Die Abhängigkeit von sozialen Medien ist als stoffungebundene Sucht anerkannt. Cybermobbing unter Jugendlichen ist Teil der sozialen Realität im Internet. Jeder kann in Sekun­denschnelle Beiträge ins Netz stellen oder sie mit der eigenen Freundesgruppe teilen, „liken“, kommentieren. Entsprechend ist von süßen Katzenvideos, „Life-Hacks“ (Tipps zum Selbermachen) bis zu Hinrichtungsvideos aus Kriegs­gebieten alles in Sekunden abrufbar. All das verändert die soziale Interaktion im Internet, sowie abseits davon im „Real Life“.

Die digitale Vernetzung mit der Verheißung beschleunigter Verständigungs- und Verständnisprozesse erfordert entsprechende Medienkompetenz und verlässliche Informationskanäle. Ein Überblick ist allerdings realistisch kaum mehr leistbar. Immer neu entstehen und vergehen Internet-Blogs, Podcasts, TV-Kanäle und entsprechend mit ihnen verbundene Nutzer-Szenen und Meinungsmacher. Der Anglizismus des Jahres 2017 ist übrigens „Influencer“ und benennt eine noch recht neue Art von Promi­nenten. Diese meist jüngeren Menschen sind durch ihre große Reich­weite in den sozialen Medien in der Lage, die öffentliche Meinung mit zu gestalten. So können sich auch Extremisten und Verschwörungstheoretiker eine Bühne schaffen.

Anbieter von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken sind keine neutralen Ver­mittler von Informationen. Sie bedienen jeweils eigene Interessen, wenn auf ihren Seiten durch marktoptimierte Algorithmen Inhalte gefiltert, zusammengefasst und verbreitet werden. Sowohl Suchmaschinen als auch Funktionsweisen sozialer Netz­werke imitieren im Ansatz den natürlichen Filter der selektiven Wahrnehmung. Das Gehirn muss aus der Menge an Reizen die aktuell relevanten Informationen von irrelevanten trennen können. Was unseren Erwartungen entspricht wird bevorzugt. Entsprechend den eigenen Interessen nehmen beispielsweise Familiengründer Kinderwagen verstärkt wahr, Jugendliche bestimmte Handy-Modelle. Menschen mit Ängsten vor Überfrem­dung durch Flüchtlinge ignorieren eher Berichte gelungener Integration und nehmen verstärkt die problematisierende Berichterstattung wahr. Chronisch Erkrankte hören die Heilsversprechen von Scharlatanen anders als Gesunde. Diese natürliche Filter­funk­tion wird durch die Algorithmen bedient. Der Nutzer bekommt passgenau für seine Interessen die entsprechenden Angebote geliefert. Bei Suchwörtern zu gesellschaft­lichen Themen wird er über die Ergebnisse zu Foren und Communities gelenkt, in denen sich der Nutzer in seiner vorgefassten Meinung oder Befürchtung bestätigt sieht. Die Neigung, Aussagen eher für wahr zu halten, wenn sie der eigenen Auf­fassung entsprechen ist als Bestätigungsfehler bekannt. In Kombination mit den Algorithmen von Google, Facebook und Co bilden sich Nutzer ihre eigenen Echo­kammern oder Filterblasen. Es entstehen ideolo­gische Kapseln, also geschlossene Weltbilder, in denen stets die passenden Inhalte angeboten wer­den. Mit kontro­versen Ansichten kommt man so nur über die Beweis­führung gegen die Andersdenkenden in Kontakt. Die Bereitschaft unterschiedliche Meinun­gen auszu­halten nimmt ab. Dieser Effekt bestärkt damit auch die Binnen­wahrneh­mung von ideologischen Gruppen und fördert die Immunisierung gegen Kritik von außen.

Zwischen der „Generation Smartphone“ und denen, die bereits vor Heimcomputern kapituliert haben, gibt es eine große Schicht von Nutzern, die sich mehr oder weniger zurechtfinden, der Risiken und Eigengesetzlichkeiten aber nicht zureichend bewusst sein dürften. Das Geschäftsmodell von Google ist die Analyse von Suchverläufen, um nutzergerechte Werbung zu schalten - diese Daten werden gehandelt. Facebook registriert Browserverläufe zur Profilerstellung vom Nutzer - sogar wenn das Pro­gramm Facebook geschlossen ist.[2] Der Umgang mit Suchma­schinen und sozialen Netzwerken erfordert Eigenverantwortlichkeit. Das Verhalten muss stets an Weiter­entwick­lungen angepasst werden - will man nicht nur unmündiger Konsu­ment oder Objekt der Meinungsmache verschie­denster Interessen sein. Dem eigen­ver­antwor­teten Datenschutz steht die Verläss­lichkeit des Anbieters gegenüber. Im März 2018 wurde bekannt, dass die Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern durch die Firma Cambridge Analytics missbraucht wurden. Die Firma soll personali­sierte Wahlwerbung zugunsten Trump und die Pro-Brexit-Kampagne unterstützt haben.[3] Die im Mai 2018 in Kraft tretende EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) soll den Schutz personenbezogener Daten sicherstellen und den freien Datenverkehr innerhalb des Europäischen Binnenmarktes gewährleisten. (https://dsgvo-gesetz.de/)

 

Hass-Kommentare und Meinungsmache in sozialen Netzwerken

Die Ermöglichung einer schnellen und oft impulsgesteuerten Kommunikation ohne unmittelbaren Personenkontakt sorgt für ein schnell steigendes Erregungs­niveau. Die Anonymität durch abweichende Profil- und Nutzer­namen hat die Hemmschwelle drastisch gesenkt. Die Möglichkeit, Artikel und Kom­mentare Anderer zu „liken“ oder aber „Hass-Kommentare“ zu „posten“ (Beitrag in Foren) ist Teil einer sofabasierten Erlebnis- und Empörungskultur geworden, die ihrerseits einen neuen Umgang ein­fordert. Viele Blogger (Web-Autoren) empfehlen, sich erst gar nicht mit Kommentaren zu befassen, da sie wegen der oft ausufernden und emotionalisierenden Stimmung und Hassbotschaften als Belastung gesehen werden: „Don't feed the Trolls“ - Füttere nicht die Trolle. Trolle werden Personen genannt, die mit unsachlichen oder verlet­zenden Äußerungen sachliche Diskus­sionen stören oder zu verunmög­lichen suchen. Hass-Kommentare und Diskrimi­nierungen sollten allerdings grundsätzlich keinen Raum bekommen. Beleidi­gende Posts können in Foren gemel­det und von Admi­nis­tratoren gelöscht, sowie die Nutzer geblockt werden. Volksver­hetzende Äußerungen können zur Anzeige gebracht werden. Manche wissen­schaftsorientierte Skeptiker ziehen bewusst gegen Verschwörungstheorien und Scharlatane in die Kommen­tarschlacht, um argumentativ aufzuklären. Wenn schon nicht die Schreiber solcher Posts überzeugt werden können, dann vielleicht manche der unschlüssigen Leser.[4]

Sogenannte Social Bots - automatisierte Programme - können Informationen aus Nutzerprofilen sammeln, selbständig mit Nutzern in Kontakt treten, Werbung und Informationen in Netzwerken verbreiten. Auf diese Weise lassen sie sich ebenfalls für Stimmungsmache und zur Wahlbeeinflussung benutzen, so geschehen im US-Präsi­dentschafts-Wahlkampf. Februar 2018 wurden 13 russische Staatsbürger der Ver­schwörung gegen die Regierung der USA angeklagt. In einem „Informationskrieg“ sollen sie versucht haben, Misstrauen in das US-politische System zu schüren und die US-Präsidentschaftswahlen zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen. Herz­stück der „Operation Translator“ war eine sogenannte Trollfabrik in Sankt Peters­burg, von wo aus mit hunderten falscher Facebook- und Twitter-Identitäten politische Kampagnen betrieben wurden. Bisherige Berichte über eine russische Einmischung wurden von Donald Trump als Fake News bezeichnet.[5]

Die Auswirkungen der sozialen Netzwerke beschäftigt auch die deutsche Politik: Bundespräsident Steinmeier moniert, dass Falschinformationen und Verschwö­rungstheorien in Windeseile verbreitet würden und die Entstehung von Parallel­gesellschaften befördert werde. Justizministerin Barley sieht in personalisierter Wahlwerbung und Hassbotschaften eine Gefahr für die Demokratie.[6] Mit dem seit Anfang des Jahres 2018 geltenden Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) können Firmen verpflichtet werden, gemeldete Hass-Kommentare und volksverhet­zende Beiträge zu löschen. Facebook errichtete Ende 2017 in Essen das zweite deutsche Löschzentrum mit 500 Mitarbeitern samt vier Psychologen. Die Meinung ist geteilt. Während manche endlich Erfolge gegenüber der grassierenden Unkultur im Internet sehen, sind andere in Sorge um die Meinungsfreiheit. Deren Grenzen würden nun nicht von Gerichten, sondern von Firmen definiert, die im Zweifelsfall erst löschen und schon gar nicht fragen. Tatsächlich fielen bereits Satire-Beiträge der neuen Zensur zum Opfer, weil sie Schlüssel­begriffe enthielten oder weil sie nicht als solche erkannt wurden. Während einerseits Seiten gelöscht wurden, auf denen das gefährliche „Wundermittel“ MMS (Chlor­bleiche)[7] beworben wurden, fielen anderer­seits auch Aufklärungsseiten der Zensur zum Opfer. Nach Beanstandungen wurden sie wieder freigeschaltet – so wie auch manche MMS-Seite.[8]

Die wachsende Kritik bringt Anbieter sozialer Netzwerke unter Druck. Nachdem Youtube in der New York Times in einem vielbeachteten Artikel als eines der mäch­tigsten Werkzeuge zur Radikalisierung bezeichnet wurde, kündigte die Firma März 2018 Konsequenzen an: Bei Videos zu bekannteren Verschwörungstheorien will Youtube nun auf aufklärende Artikel des Internet-Lexikons Wikipedia hinweisen.[9]

 

Fake News und alternative Fakten

Man kommt nicht umhin, im Zusammenhang mit dem Begriff „Fake News“ (Falsch-Meldung) auf den US- „Twitter-Präsidenten“ Donald Trump zu sprechen zu kommen. Der Begriff war in Deutschland bereits Anglizismus des Jahres 2016 doch Trump bescherte ihm die globale Aufmerksamkeit. Er erklärte die US-amerikanische Presse zu Feinden des Volkes und vergab am 17. Januar 2018 die von ihm selbst angekün­digten „Fake-News Awards“ als Negativ-Preis u.a. an CNN, Time Magazine und Washington Post.[10] Die Organisation für Menschenrechte „Human Rights Watch“ prangerte den politischen Populismus an und lobte den Widerstand dagegen.[11]

Mit „Fake News“ kann eine unzulässig zugespitzte Nachricht, eine fehler­haft recher­chierte, bewusst irreführend oder tatsächlich erfundene Meldung gemeint sein. Wer den Begriff verwendet, definiert die Bedeutung und unterstellt einen Zusammenhang. Was bei fehlerhafter Berichterstattung ein Fall für eine Gegendar­stellung oder die Medienaufsicht ist, gerät bei der Behauptung gegenüber einer unliebsamen, aber korrekten Bericht­erstattung selbst zur Fake News über eine Nach­richt. Ein „Lehrstück über Fake-News“ lieferte 2017 das rechte US-Nachrichten Portal Breitbart ab: „Enthüllt: 1000-Mann-Mob steckt älteste deutsche Kirche in Brand". Flüchtlinge hätten den Dachstuhl in Brand gesetzt. Aber eine Silvester-Rakete entzündete eine Bau-Plane an einer Dortmunder Kirche; sie wurde schnell gelöscht.[12] Solche Fake News werden genutzt, um Stimmung gegen die Flüchtlingspolitik zu machen. Als gesundheitlich gefährliche Falschnachricht geistert die längst widerlegte Fehl-Studie über einen Zusammen­hang von Impfungen und Autismus durch impfkritische Foren.

Fake-News ist ein Kampfbegriff im Informationskrieg der „Medienkrise“. In Deutsch­land war der umfassendere Begriff Lügenpresse bereits Unwort des Jahres 2014. Im Jahr 2016 war es „Volksverräter“. Die Wörter offenbaren einen pauschalen Vertrau­ensentzug, gar einen Hass auf die „System-Medien“, der keinen Raum für sachbe­zogene Argumentation mehr lässt, sondern bereits verschwörungstheoretische Züge trägt. Medienkritiker verschiedenster, insbesondere rechter Gruppierungen beschul­digen die „System-Medien“ einer Verschwörung im Auftrag finsterer Mächte, mit dem Auftrag die Bevöl­kerung gezielt zu desinformieren. Für sich selbst beanspruchen sie die mediale Repräsentation des Volkes. Mit der Selbstdarstellung als Sprachrohr eines postu­lierten „Volkswillens“ erweisen sie sich undemokratisch, da sie anders­lautende Interessen von Bevölkerungsteilen als illegitim diskreditieren. „Plötzlich steht zur Diskussion, ob es überhaupt noch einen Konsens darüber geben kann, was wahr und richtig ist.“ Wenn verifizierten Informationen nicht mehr ohne weiteres zu trauen ist, werden plötzlich „alternative Fakten“ möglich.[13]

Auch das Unwort des Jahres 2017 „alternative Fakten“ hängt mit der US-Präsident­schaft zusammen. Trump-Beraterin Kellyanne Conway verwies in der Auseinander­setzung um die größere Zuschauermenge bei der Amtseinsetzung von Obama oder Trump auf „alternative facts“. Damit prägte sie einen zum Synonym gewordenen Begriff für eine sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen. Denn der Begriff widerspricht sich selbst. Jeder kann sich so auf seine eigenen Fakten beziehen und sich damit einer gemeinsam vertretenen Argumentationsbasis und Weltbeschreibung entziehen. Der Begriff „postfaktisch“ brachte es 2016 zum Wort des Jahres.

 

„Theorien“  -  Glaubenswahrheiten & Forschungsfreiheit

Wissenschaft und Medien gestal­ten maßgeb­lich unser Bild von der Welt. Mit deren ignoranter Infragestellung wird ein gefähr­liches Spiel betrieben. „Alternative Fakten“ zerstören Vertrauen. Die Meinungs- und Forschungsfreiheit basiert auf einer Verab­redung zu gemeinsam anerkannten Werten und den Bezug auf überprüfbare Tatsa­chen. Der offene Diskurs darüber muss gegen willkürliche oder despo­tische Setzun­gen verteidigt werden. Auf diese Weise schützen wir zugleich unsere freiheit­lich demokratische Grundordnung, die ihrerseits den Rahmen für unsere Freiheit stellt.

Die Degradierung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu „bloßen Theorien“, zu denen es gleichberechtigte Alternativen gäbe, offenbart ein grundsätzliches Missverständnis des wissenschaftlichen Theoriebegriffes. Etwa wenn esoterisch postulierte (Heil-) Kräfte oder kreationistischer Schöpfungsglaube als zumindest gleichberechtigte „Theorien“ angesehen werden. Oft wird behauptet, dass wissenschaftliche Forschung dazu (noch) nicht in der Lage sei, die Überlegenheit dieser Alternativen (an-) zu erkennen. Das zeigt vor allem aber die Differenz zwischen experimentell reproduzierbarem und daher nachvollziehbarem Wissen, welches sich auf objektive Daten stützt, und dem Glauben, der sich auf subjektives Erleben beruft und absolute Aussagen zu Sinnfragen der Welt trifft, oder Hoffnung auf Heil, bzw. Heilung gibt.

Wissenschaftliche Forschung formuliert durch Experimente gestützte Theorien, welche die Welt bestmöglich beschreiben und damit Effekte vorhersagen können. Durch neue Erkenntnisse können diese Theorien weiter ausgeführt oder verändert werden, da die Aussagen falsifizierbar, also widerlegbar bleiben. Die Richtig­keit aufgestellter Theorien wird durch empirische Daten, anhand konkurrieren­der Theorien oder mit argumentativen Einwänden überprüft. Sie bleiben damit per se offen für Korrekturen. Wer letztgültige Wahrheiten sucht, wird immer wieder durch den Fortschritt der Erkenntnisse verunsichert werden.

Leider tragen etliche Heilpraktikerschulen und auch Krankenkassen (auf Druck ihres Klientels) zur Pseudo-Seriosität und Verbreitung widerlegter Theorien zur Krank­heitsentstehung, wirkstofffreier „Medikamente“ und Pseudo-Therapien bei. Der Begriff „alternative Medizin“ suggeriert eine gleichberechtigte Alternative zu einer „schulmedizinischen“ Behandlung. Auch hier wird oft mit „alter­nativen Fakten“ argumentiert. Unter diesem Deckmantel der „alternativen Medizin“ tummeln sich leider auch schädliche und gefährliche Mittel und Verfahren wie MMS. Dabei gibt es einen Namen für geprüfte und anerkannt wirksame „alternative“ Medizin. Sie heißt: Medizin! Der sinnvollere Begriff „komplementäre“ Therapie/ Medizin meint Verfahren, die zur Steigerung des Wohlbefindens eine sinnvolle zusätzliche Begleitung einer wissenschaftsorientierten oder evidenzbasierten Medizin Behandlung sein können.

Nach wie vor wächst der kreationistische Einfluss. Die Glaubensaussage, nach der Gott Erde, Lebewesen und als Krone der Schöpfung den Menschen nach seinem Bilde erschaffen habe, kann im Religions­unterricht vermittelt werden. Dies gilt auch für die Lehre vom „Intelligent Design“, die von einem intelligenten Urheber der sonst unerklärlich komplexen Schöpfung aus­geht; sie verzichtet auf biblische Bezüge. Im Biologieunterricht haben Glaubensaus­sagen allerdings nichts zu suchen. Dies wird jedoch insbesondere an einigen christ­lich fundamentalistisch orientierten Bekennt­nisschulen beobachtet. Aktuell gibt es 1100 private Schulen von freikirchlichen Trägern, Tendenz steigend. Auch bei uns landen Fragen von Eltern und Lehrern zu diesem Thema. Dabei wurde von Diffamierungen der Evolutionslehre berichtet.[14]

Dass auch an Universitäten die freie Forschung und die dazu nötigen Mittel stärker von wirtschaftlichen und politischen Interessensverbänden gelenkt zu werden drohe, ist ein Missstand, auf den am 22.03.2017 mit einem international organisierten Protestmarsch hingewiesen wurde. In Deutschland beteiligten sich etliche Universi­täten mit Aktionen in 22 Städten. Vorbild waren US-Initiativen, die sich nach der Wahl von Trump mit „March for Science“ gegen populistische Verunglimpfungen richteten. Ähnlicher Wind weht den Universitäten und Forschungseinrichtungen auch in einigen europäischen Ländern entgegen. Die deutsche Initiatorin Tanja Gabriele Baudson wurde für ihr Engagement zur Hochschullehrerin des Jahres gekürt: „Wir müssen deutlicher machen, wie Wissenschaft funktioniert und die Freude am Forschen vermitteln.“ So ließe sich auch die Jugend gegen Fake News impfen.[15]

 

Verschwörungstheorien, Reichsbürger und Wundermittel

Anhänger von Verschwörungstheorien operieren ebenfalls mit alternativen Fakten und können sich so auf ihre eigenen „Beweise“ berufen. Auch das Thema Hassbot­schaften ist in der Auseinandersetzung mit ihnen ein leidvolles Thema. Verschwö­rungstheorien und Misstrauen gegenüber den staatlichen Behörden sind Bestandteil mancher Gruppenideologie. Ideologische Wahrheiten und die damit verbundenen Weltdeutungen führen im Grenzbereich zu konkurrierenden Systemen immer zu Spannungen. Die Identifizierung mit einer überwertigen Idee erfordert eine entspre­chende Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden, denen bei Kritik eigene Macht­interessen oder satanische Motive unterstellt werden. Auf die Verbreitung von Verschwörungstheorien und rassistische und rechtsradikale Tendenzen in Teilen des Christlichen Fundamentalismus, der Esoterik und der alternativen Therapien wurde bereits in anderen Artikeln auf unserer Webseite hingewiesen.[16]

Auch echte Verschwörungen hat es immer wieder in der Geschichte gegeben. Etliche wurden aufgedeckt oder im Nachhinein bekannt. Die Einflussnahme des US-Geheimdienstes CIA und des britischen MI6 im Iran 1953 ist als Operation „Ajax“ bekannt geworden. Das später auf die Revolution folgende Mullah-Regime war sicher nicht intendiert. Im Gegensatz zu solchen begrenzten Interventionen wird von Verschwörungsgläubigen oft eine umfassendere Verschwörung vermutet. In diesen Theorien lenken oft mächtige Geheimbünde die Geschicke der Menschheit.

Der US-Amerikaner Mike Hughes machte 2017 von sich reden, da er mit einer selbst gebauten Rakete hoch genug hinaus will, um sich mit eigenen Augen von der Gestalt der seiner Ansicht nach flachen Erde zu überzeugen. Satellitenbilder und andere Beweise könnten gefälscht sein. Der erste Flug erreichte nicht die erforderliche Höhe. Mit dem Glauben an eine flache Erde ist er nicht alleine. Im November 2017 tagte mit 500 Teilnehmern erstmals die „Flat Earth International Conference“ in North Carolina.

Der Glaube an eine flache Erde impliziert als eine Art Superverschwö­rungstheorie etliche weitere Verschwörungstheorien. Die Mondlandung kann dann nur ein Fake gewesen sein. Einer Regierung, die ihr Volk derart belüge sei zuzu­trauen, dass sie das World Trade Center selber gesprengt hat. Der Glaube an eine Ver­schwörungs­theorie begünstigt die Annahme weiterer Verschwörungstheorien. Diese konkurrieren nicht miteinander, sondern bilden ein Gesamtsystem, an deren Spitze schließlich geniale Superverschwörer stehen, die nahezu fehlerfrei operieren. Je nach Theorie sind dies Führer des Finanz-Judentums, die Illuminaten oder Repti­loide (eine intelli­gente Echsen-Spezies, wahlweise aus dem All oder der hohlen Erde).

In Deutschland beschäftigen sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter die Behörden. Die so bezeichnete Szene ist heterogen. Als übereinstimmendes Merkmal kann ein grund­sätzliches Misstrauen gegen Behörden, Institutionen und Vertretern des Rechts­staates gelten. Deren Legitimierung wird nicht anerkannt, stattdessen soll z.B. das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 Fortbestand haben. Friedens­verträge und Verfas­sung seien ungültig. Nebeneinander bemühen sich selbsterklärte Fürs­tentümer und Königreiche um Unabhängigkeit vom Staat. Der selbsternannte „König“ von Deutschland Peter Fitzek saß wegen des Vorwurfs illegaler Bankge­schäfte 2017 in Haft (das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen). Adrian Ursache widersetzte sich 2016 der Zwangs­räumung seines Hauses mit der Waffe. Ein Polizist starb. Seiner Ansicht nach vertei­digte er sich gegen terroristisches Eindringen illegitimer Kräfte in seinen Staat „Ur“.

Sogenannte Selbstverwalter glauben, aus der Bundesrepublik „austreten“ zu können. Selbst erstellte Ausweise, Führerscheine, Autokennzeichen unterstreichen den Auto­nomieanspruch. Ansprüche Anderer gegen die eigene Person werden zurückge­wiesen, meist geht es um Zahlungsaufforderungen und Steuern. Auch Sorgerechts­entzug kann ein Thema sein. In Internetforen und Seminaren kursieren Schriftsätze und Rezepte, die eine erfolgreiche Abwehr behördlicher Forderungen behaupten. Sie seien widerrechtliche Plünderungen einer Firma BRD, welche sich an Bürgern des im Kriegszustand befindlichen Deutschen Reiches bereichere. Videos und Tonmit­schnitte dokumentieren den rechten Umgang mit Behördenvertretern. Die Behörden­vertreter erhalten inzwischen Instruktionen zum Umgang mit dieser Klientel, da sie von immer mehr Personen mit jeweils etlichen Schreiben, Gegen­forderungen und auch Drohungen konfrontiert werden. 13.000 Straftaten, davon 750 Gewaltdelikte werden in diesem Zusammenhang gezählt. Der Verfassungsschutz hat die Szene seit 2016 unter Beobachtung genommen. In besonderem Fokus sind die 900 Rechtsextremisten darunter, sowie die 1100 Personen mit waffenrechtlicher Erlaub­nis. Bei einer Razzia im März 2017 in mehreren Bundesländern wurden allein in NRW 36 Schusswaffen und 20.000 Schuss Munition beschlagnahmt. Die Szene wächst beträchtlich und umfasst Ende 2017 ca. 16.500 Personen, 2.200 in NRW.[17]

In Österreich trat am 1. September 2017 aufgrund einer ähnlichen Problemlage der Staatsverweigerer-Paragraf (§246a StGB) in Kraft. Seitdem sind einschlägige Aktivitäten merklich zurückgegangen. Größere Gruppen heißen hier „Freeman“ und „One People’s Public Trust“ (OPPT); sie haben auch in Deutschland Anhänger.[18]

Während Theorien über Reptiloide oder die flache Erde eher Kopfschütteln auslösen mögen, stellt die Reichsbürger-Szene eine konkrete Bedrohung dar. Andere Ver­schwörungstheorien scheinen zunächst weniger absurd. Dem Zweifel, ob eine Imp­fung sinnvoll ist, sollte in einem individuellen Aufklärungs­gespräch begegnet werden. Die mitunter dahinter stehende generelle Leugnung von Viren und der schützenden Wirkung von Impfungen sind akut gesundheitsgefährdend. Neben der Gefahr für den Gläubigen solcher Thesen selbst und seiner Familie betrifft das auch die sogenannte Herden-Immunität. Damit sich z.B. Masern nicht epidemisch ausbreiten können, ist eine hohe Durchimpfungsrate in der Bevölkerung Voraussetzung. Diese schützt auch Menschen, die wegen ihres Alters oder Erkran­kungen nicht geimpft werden können. Aufgrund rückläufiger Impf­quoten sind die fast ausgerotteten Masernviren in Deutschland und Europa wieder auf dem Vormarsch bilanziert die WHO für 2017.[19]

Etliche Vertreter von Pseudotherapien und Wundermittel bedienen sich explizit oder implizit verschiedener Verschwörungstheorien. Ein aktiver Vertreter der deutschen Impfgegner-Szene ist der Biologe Stefan Lanka, der angesichts seiner Leugnung von Masernviren 2015 den Negativ Preis „Das goldene Brett vorm Kopf“ der wissen­schaftsorientierten Skeptiker-Bewegung verliehen bekam. Seiner Ansicht nach gebe es keine krankheitserregenden Viren, Impfungen seien interessengeleitete Kam­pagnen der Pharmalobby und Regierung, die sich gegen die Bevölkerung verschwo­ren hätten. Ähnliche Aussagen finden sich bei der Germanischen Neuen Medizin, deren Gründer Ryker Geerd Hamer 2017 verstarb. Er verknüpfte seine gefährlichen Vorstellungen zudem mit antisemitischen Verschwörungstheorien.[20]

Auch die Vorstellung dass ätzende Chlorbleiche, getrunken als Wundermittel MMS („Miracle Minerale Supplement), diverse Krankheiten heilen soll, ist gesundheitsgefährdend. Rektal zugeführt kann es die Darmschleimwand lösen. Anhänger dieser Theorie wollen darin aber Autismus verursachende Würmer erken­nen. Weiter behaupten sie, Pharmalobby und Medizin-Industrie würden in ihrer Gewinnsucht die angeblich segensreiche Verbreitung von MMS verhindern. Statt­dessen warnt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und rät von der Einnahme und der Verwendung von "MMS" dringend ab. Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnt vor der Einnahme von "MMS" durch Menschen und vor der Verwendung bei Tieren.[21] Der US-amerikanische Begründer der MMS-„Therapie“ Jim Humble und Vertreter seiner Lehre touren dennoch über deutsche Esoterikmessen, zuletzt im März 2018 auf der „Spirit of Health“ in Berlin zusammen mit Impfgegnern, Verschwörungsgläubigen und Wunderheilern. Seine Fans kaufen die in Deutschland nicht zugelassenen Substanzen im Internet. In entsprechenden Foren wird von Heilungen berichtet und die Mittel beworben.

 

Die Beratung zu Verschwörungstheoretikern und Reichsbürgern

In der Beratung erfahren wir, wie verzweifelt Ratsuchende sind, wenn Angehörige Verschwörungstheorien anhängen, und sich beispielsweise in die Reichsbürger­szene hineinsteigern. Ratsuchende erleben, wie nicht nur bisher gemeinsame Werte und Gewissheiten bezweifelt, sondern auch als unhinterfragbar angenommene Grund­festen der Gesellschaft abgelehnt werden. Es gibt immer neue Diskussions-Themen, aber immer weniger eine gemeinsame Gesprächsgrundlage. Es wird uns von näch­telangen Internetrecherchen berichtet, nach denen die verschwörungsgläu­bigen Angehörigen mit neuen Themen oder extremeren Vorstellungen aufwarteten. Kritischen Fragen wird zunehmend feindselig begegnet. „Was kommt als nächstes?“ fragen sich Ratsuchende, oder auch „wer glaubt mir eigentlich?“

Die Beratung sucht Verständnis für diese belastende Situation. Die Kenntnis des Beraters über etliche solcher Verschwörungstheorien, der Akteure und deren Argumentation hilft der ratsuchenden Person in der Situation der eigenen Verunsicherung. Eine sachlich-argumentative Entgegnung kann nur in den Anfängen des Interesses an solchen Theorien empfohlen werden. Einem bereits verfestigten Verschwörungsglauben ist mit Aufklärungsversuchen kaum mehr zu begegnen. Selbst Sachargumente werden eher als Bedrohung des Stabilität verheißenden Glaubensgebäudes erlebt und verschärfen die Konfrontation. Ein zum Prinzip erhobener Zweifel entzieht jeglichem Vertrauen die Basis. Andere gemeinsame Aktivitäten vermögen dann manchmal zur Stabilisierung beitragen. Es kann auch eine Grenze gefunden und formuliert werden, ab der Abstand gesucht werden muss. Wenn etwa der weiteren Kommunikation eigene Grundwerte massiv entgegenstehen oder die Kräfte aufgebraucht sind.

Unabhängig von den Sachthemen der Verschwörungstheorien oder ihrer Berech­tigung kann besser auf die betreffende Person und die Gesamtsituation geschaut werden. Wie war die Entwicklung des Interesses an Verschwörungstheorien? Was war sonst wichtig im privaten und beruflichen Umfeld? Nicht selten lassen sich verunsichernde Ereignisse finden, die dann mithilfe von Verschwörungstheorien beant­wortet wurden: Kontrollverlust, Abstiegsängste, Zukunftssorgen, Gesundheits­probleme. Ist bei diesen Themen eine Unterstützung möglich? Die Lösung wenigs­tens eines Problems kann den Druck nehmen und positive Kräfte der Selbstwirksam­keit entfalten. Neu oder wieder eröffnete Handlungsspielräume mindern das Empfinden, ohnmächtiges Opfer übermächtiger Strippenzieher zu sein.

Unerklärliche Zufälle sind der menschlichen, nach Mustern suchenden Vernunft suspekt. Die grundsätzliche Bereitschaft sinnhafte Zusammenhänge anzunehmen ist zunächst eine wichtige aber fehleranfällige Verknüpfungsleistung. Verschwörungs­theorien bedienen dieses Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion und Kontingenz­bewältigung und bieten einfache Antworten bei komplexen Problemen. Durch das Wissen um die vorgeblich wahren Zusammenhänge kann zunächst eine Selbstver­gewisserung und Erleichterung erlebt werden. Sie eröffnet abseits der Szene aber selten echte Handlungsspielräume, um eigene Probleme konstruktiv zu bewältigen. Stattdessen werden für globale, gesellschaftliche und persönliche Missstände Schul­dige gefunden. Bisweilen werden dabei Szenarien entwickelt die u. U. auch an Wahnvorstellungen erinnern. Tatsächlich können sich hier Überschneidungen erge­ben. Die massive Beschäftigung mit Verschwörungstheorien vermag den Ausbruch einer psychischen Erkrankung fördern. Meist jedoch sind Anhänger selbst abstruser Verschwörungstheorien psychisch gesund. Innerhalb ihrer Szene werden die Vorstellungen schließlich geteilt, sie gelten einander als aufgeklärter als die übrige Bevölkerung. Viele Verschwörungsgläubige verhalten sich ansonsten normal und kommen ihren beruflichen oder sozialen Verpflichtungen nach. Abseits einer entsprechenden Szene lassen sie sich allenfalls im Gespräch an den Themen und am missionarischen Überzeugungseifer erkennen.

Andere Menschen mit teils berechtigten Ängsten und normalen Problemen geraten über einen Vereinskollegen oder die Stichwortsuche an Verschwörungstheorien. Sie werden schnell integriert und mit alternativen Fakten „überzeugt“. Auch deshalb sind Aufklärung und bürgerschaftliches Engagement wichtig. Nicht in jede Diskussion kann und will man sich einbringen, doch manchmal reicht es, sich auch ohne fachli­che Begründung mit einem „Da bin ich anderer Meinung!“ zu erkennen zu geben. So kann dem Eindruck einer schweigend zustimmenden Gruppe entgegengewirkt werden. Manchmal trauen sich dann auch Andere aus der Deckung. Zusätzlich helfen inzwischen diverse Projekte, die Fakten liefern, Argumentationsmuster aufzei­gen, und Fake News „debunken“ (widerlegen). Bei der sich noch entwickelnden digitalen Gesellschaft sind noch viele persönliche und gesellschaftliche Lernschritte in Medienkompetenz und Datensicherheit erforderlich.

 

Hilfreiche Projekte und Webseiten zur eigenen Information:


April 2017 wurde Faktenfinder gegründet. Die ARD-Recherche-Abteilung stellt Falschmeldungen richtig. (Faktenfinder.tagesschau.de)

2014 wurde in Essen das journalistische Portal Correctiv als gemeinnützige Antwort auf die Medienkrise gegründet. Mit ihrer Initiative Echtjetzt lassen sich seit Juni 2017 Geschichten auf ihren Wahrheitsgehalt nachprüfen. (correctiv.org)

Das Projekt Mimikama leistet seit 2011 Aufklärungsarbeit gegen Fake News und Internetmissbrauch. (mimikama.at)

Falschmeldungen zu Flüchtlingen spürt seit 2016 die Hoaxmap auf. (hoaxmap.org)

Medwatch ist ein Anfang 2018 eröffnetes wissenschaftsjournalistisches Informa-tionsportal zur Aufklärung von unseriösen Heilsversprechen. (medwatch.de)

Bei Hoaxilla, dem skeptischen Podcast werden seit 2010 auf unterhaltsame Weise urbane Mythen und Verschwörungstheorien entlarvt. (hoaxilla.com)

Die Amadeu Antonio Stiftung bietet Informationen zum Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet, Informationen über Verschwörungstheorien und Reichsbürger. (amadeu-antonio-stiftung.de)

Die GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissen-schaften ist die älteste deutsche Skeptiker-Organisation) und dient mit Blog (blog.gwup.net/) und der Zeitschrift Skeptiker der kritischen Information. (gwup.de)

Der Deutsche Konsumentenbund e.V. hat sich ebenfalls der Aufklärung, sowie dem Konsumentenschutz verschrieben. (konsumentenbund.de)

Psiram versteht sich als Verbraucherschutz-Angebot. Der Skeptikerbewegung nahestehend bietet die Webseite viele kritische Informationen zu Pseudotherapien und esoterischen Angeboten. Die Autoren arbeiten anonym. (psiram.com)

 

Wie lassen sich Fake News und alternative Fakten durchschauen?

  • Lässt sich eine ungewöhnliche Nachricht auch auf anderen Internetseiten finden, wird sie auch über TV oder Radio übertragen? Welche Nachrichten werden sonst auf dieser Seite verbreitet? Sind sie ähnlich reißerisch verfasst?   

  • Lässt sich der Verfasser ermitteln, welche Nachrichten hat er bereits verbreitet, die sich evtl. überprüfen lassen? Gibt es auf der Internetseite ordnungsgemäß ein Impressum mit Name des Verantwortlichen und Kontaktmöglichkeit?            

  • Bilder unterstützen Fake News. Sie können gefälscht oder anderen Kontexten entnommen sein. Eine Bildersuche (z.B. TinEye.com) kann Aufschluss bringen.

  • Auch Nutzerprofile in sozialen Netzwerken können gefälscht oder geklaut sein. Bei verdächtigen z.B. unnatürlichen Profilbildern lässt sich über die Bildersuche überprüfen ob ein Bild mehrere Adressen im Internet hat. Grobe Rechtschreib- oder Grammatikfehler lassen auf schlechte Übersetzungsprogramme schließen. Ähnlich wie bei vielen Spam-Mails agieren die Urheber dann aus dem Ausland.

  • Klick- bzw. Impuls-Kontrolle: Oft sind reißerische Schlagzeilen, die auf eine fremde Webseite verweisen die Nachricht nicht wert und dienen lediglich der Werbung. Nicht automatisch alles anklicken, was Interesse wecken will.         


Woran kann man Verschwörungstheorien erkennen?

  • Eine Verschwörungstheorie erklärt einen gefühlten oder echten Missstand. Eine kleine aber mächtige Gruppe manipuliert dabei eine große, bzw. die Bevölkerung.

  • „Cui bono?“ Das „wem nützt es“ Argument verrät angeblich die Strippenzieher. Machtgier und Kontrolle sind die stets gleichen Motive der geheimen Verschwörer.

  • Zufälle werden nie vermutet. Die mächtigen Verschwörer verantworten selbst Nebensächlichkeiten und erklären neben den globalen auch die persönlichen Probleme. Damit lassen sich auch Abstiegs- oder Zukunftsängste kanalisieren.

  • Die Skurrilität einer Verschwörungstheorie gilt manchmal als Argument für ihre Wahrscheinlichkeit. Ihre Aussage steht im Widerspruch zu offiziellen Aussagen. Verdrehte Fakten und nicht nachprüfbare Anekdoten ersetzen fundierte Grund-lagen. Hier helfen eher eigene Anekdoten (z.B. Schaden durch fehlende Impfung).

  • Verschwörungstheorien sind selten das Ergebnis umfangreicher Recherche, auch wenn es so erscheint. „Beweise“ werden oft nachträglich gefunden und lassen sich mit etwas Mühe widerlegen. Widersprechende Fakten gelten aber schnell als gefälscht. Wer diese liefert, ist wohl Teil der Verschwörung oder von ihr gekauft.

  • Kritikern kommt eine Flut von Argumenten entgegen. Entkräftet man eines, wird ein neuer Argumentationsstrang eröffnet. Was durch die Grundtheorie nicht erklärt werden kann, wird durch eine vernetzte Verschwörungstheorie erklärt. Ein Mangel an Beweisen für eine Verschwörung zeigt lediglich wie perfekt die Verschwörung funktioniere, da sie entsprechende Nachweise unterdrücke.       



Eine Checkliste zum Download findet sich auch unter Checkliste Verschwörungstheorien


Literatur

Bartoschek, Sebastian: Bekanntheit von und Zustimmung zu Verschwörungstheorien; JMB Verlag 2017

Butter, Michael: Nichts ist wie es scheint – Über Verschwörungstheorien, Berlin 2018

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fake-news-in-schwindel-erregender-gesellschaft-gastbeitrag-a-1187678.html

https://motherboard.vice.com/de/article/8xvg9a/zwei-tage-mit-500-menschen-die-glauben-dass-die-erde-eine-scheibe-ist



[1] https://www.br.de/puls/themen/welt/soziales-punktesystem-china-100.html

[2] ZDF-Dokumentation „Datenkrake Facebook“, 22.03.2018

[3] http://www.sueddeutsche.de/digital/cambridge-analytica-wie-eine-firma-die-daten-von-millionen-facebook-nutzern-missbrauchte-1.3910421

[4] Bernd Harder, Skeptiker 1/2018, S. 36

[5] http://www.spiegel.de/politik/ausland/robert-mueller-klagt-13-russen-an-so-arbeiteten-sie-fuer-donald-trump-a-1194021.html

[6] WAZ 22.03.2018

[8] Ruhrbarone: „Facebook und das undurchsichtige Löschsystem“, 13.2.2018

[9] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Maechtigstes-Werkzeug-zur-Radikali­sierung-Youtube-will-mit-Wikipedia-Links-Verschwoerungstheorien-3994112.html

[10] http://faktenfinder.tagesschau.de/ausland/trump-fake-news-award-101.html und Bewertung

[11] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/human-rights-watch-trump-aera-koennte-autokra-tische-machthaber-ermutigen/20861778.html

[12] https://www.n-tv.de/politik/US-Fake-News-verunsichern-Dortmund-article19476011.html

[13] Prof. Reimann Ludwigs-Maximilians-Universität München, Kommunikationswissenschaften; https://www.goethe.de/ins/uy/de/kul/mag/21006877.html

[14] Abendblatt, 5.3.2018 „Lehrer die die Evolution leugnen“; https://www.abendblatt.de/nachrichten/article213624729/Lehrer-die-die-Evolution-leugnen.html

[15] WAZ 29.01.2018 „Kampf für eine freie Wissenschaft“

[17] WAZ, Die unheimlichen „Reichsbürger“, 26.01.2018; https://www.verfassungsschutz.de/de/aktuelles /zur-sache/zs-2018-001-o-ton-maassen-reichsbuerger-selbstverwalter

[18] Salzburger Nachrichten, 15.03.2018

[19] http://www.euro.who.int/en/media-centre/sections/press-releases/2018/europe-observes-a-4-fold-increase-in-measles-cases-in-2017-compared-to-previous-year

[20] Siehe Artikel auf unserer Webseite: Die "Germanische Neue Medizin" von Ryke Geerd Hamer

[21] http://www.bfr.bund.de/cm/343/bfr-raet-von-der-einnahme-des-produkts-miracle-mineral-supplement-mms-ab.pdf