Bericht über die Arbeit des Sekten-Info NRW und die Aktivitäten neuer religiöser Gemeinschaften 2021

Ein Teil der restlichen Beratungen in dieser Kategorie bezog sich auf verschiedene Coaching Angebote (27). Viele der Coaching-Angebote sind nicht wissenschaftlich fundiert. Die Veranstaltungen mit Musikbegleitung in großen Hallen erinnern eher an Rockkonzerte als an klassische Bildungsseminare. Bei übertriebenen Versprechungen, alles verändern zu können, und emotionalen Auftritten im Rahmen von Massenveranstaltungen sollte man vorsichtig sein. Ein seriöser Coach sollte seine Grenzen kennen und gegebenenfalls Menschen auch zu einem Psychotherapeuten oder Arzt schicken. Ebenso kann es zu Problemen kommen, wenn z.B. berufliche Konflikte individualisiert werden, ohne den arbeitsweltlichen Hintergrund zu berücksichtigen. Das kann zu einer unnötigen Pathologisierung der Person führen, statt die Bedingungen des Arbeitsumfeldes in den Blick zu nehmen. Vorsicht ist auch geboten, wenn bei den Verträgen eine Art „Geheimhaltungs-Codex“ unterschrieben werden muss. Menschen, die ein Coaching-Angebot in Anspruch nehmen wollen, sollten sich gründlich informieren. Mehrere Fachartikel sind auf unserer Internetseite zu finden und bieten eine erste Informationshilfe und Orientierung. Auch der Flyer unserer Beratungsstelle mit einer Checkliste zur Beurteilung von Coaching-Angeboten kann hilfreich sein und auf unserer Webseite[7] abgerufen werden.

An zweiter Stelle stehen die Anfragen und Beratungsfälle zu den fundamentalistischen Gruppen (184). Beratungsfälle (88) und Anfragen (96) sind hier gleichermaßen hoch. Zwei Drittel der Beratungsfälle stehen im Zusammenhang mit dem christlichen Fundamentalis­mus (64). Sie verteilen sich auf 30 verschiedene freikirchliche Gemeinden. Besonders häufig ging es um Brüdergemeinden oder Pfingstgemeinden.

Am häufigsten klagen Menschen, die mit diesem Erfahrungshintergrund zu uns kommen, darüber, dass sie sich in ihrer Lebensführung bevormundet gefühlt haben. Weitere Konflikte können entstehen, wenn diese Gemeinden Heilungsgottesdienste anbieten, bei denen Gläu­bige von Krankheiten und Süchten befreit werden sollen, für die allein Dämonen verantwortlich gemacht werden. Ebenfalls zu Problemen können Konversionstherapien führen, die in einigen fundamentalistischen Gemeinden befürwortet werden. Diese Therapien sollen Homosexuellen angeblich helfen, ihre sexuelle Neigung zu verändern, da sie nicht „Gott gewollt“ sei. Diese Glaubensvorstellungen können zu schweren Schuld- oder Minderwertigkeitsgefühlen beim Einzelnen führen, was die Entstehung einer depressiven Erkrankung begünstigen kann. Therapien zur vermeintlichen Heilung von Homosexualität bei Minderjährigen sind einschließlich ihrer Werbung nicht erlaubt.[8]

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie haben im letzten Jahr “Christen im Wider­stand“ bei Demonstrationen mit Holzkreuzen auf sich aufmerksam gemacht. Sie sahen in den Schutzmaßnahmen der Regierung und in der Art der Berichterstattung der etablierten Medien das zerstörerische Wirken Satans. Aus diesem Grund solle man lieber sein Immunsystem stärken und auf Gott vertrauen.[9] Ebenso gefährlich sind die Verschwörungsbotschaften, die die „Organische Christus Organisation“ seit Jahren über ihre Internetplattform „Klage­mauer-TV“ verbreitet. Sie behaupten, die herkömmlichen Medien würden falsche Informatio­nen verbreiten und rufen zur Verweigerung der Corona- oder Masern-Impfungen auf.

Unabhängig von der Corona-Pandemie hat die fundamentalistische Gruppierung der „Zwölf Stämme“ erneut die Behörden beschäftigt. Schon 2013 wurden die Erziehungsmethoden der „Zwölf Stämme“ als kindeswohlgefährdend eingestuft und rund 40 Kinder in Obhut genom­men und in Heimen und Pflegefamilien untergebracht. Im Jahr 2015 siedelte die Gruppe nach Tschechien um. Im Oktober 2021 ist ein elfjähriges Mädchen, das seit 2013 in einer Pflege­familie gelebt hat, spurlos verschwunden. Parallel haben die leiblichen Eltern, die den „Zwölf Stämmen“ angehören, beim Amtsgericht in Dillingen einen Antrag gestellt, um das Sorgerecht für ihre Tochter zurück zu bekommen. Der Antrag wurde abgelehnt, aber auch das Mädchen wurde nicht gefunden. Es wird vermutet, dass es von den leiblichen Eltern entführt wurde. Der genaue Aufenthaltsort des Mädchens, nach dem die Polizei noch immer sucht, ist leider unbekannt.[10] Einen Einblick in die Glaubenswelt gibt der Erfahrungsbericht und Fachartikel Kindeswohlgefährdung bei der Glaubensgemeinschaft der "Zwölf Stämme" auf unserer Webseite.

Betroffene des islamischen Fundamentalismus wenden sich nur noch selten und meist im Rahmen einer Kindeswohlgefährdung an unsere Beratungsstelle. Das liegt daran, dass die Landesregierung das 2014 gestartete Präventionsprogramm "Wegweiser" gegen gewaltbereiten Salafismus weiter ausgebaut hat. Inzwischen gibt es in NRW 25 Beratungsstellen.[11]

An dritter Stelle stehen die Anfragen und Beratungsfälle aus dem Bereich der Esoterik (139). Hier hat sich die Tendenz des Vorjahres fortgesetzt, esoterische Beratungsfälle sind zurück­gegangen. Ein Teil der Gläubigen aus dieser Szene ist in die Szene der Anhänger von Ver­schwörungstheorien abgerutscht. Die Sozialpsychologin Pia Lamberty kommt in ihrem Buch “Fake Facts“ aufgrund empirischer Untersu­chun­gen zu dem Schluss, dass der Glaube an Verschwörungstheorien und Esoterik eng beieinan­der liegen. Auch Dr. Matthias Pöhlmann, Weltanschauungsbeauftragter der Ev. Kirche in Bayern, betont in seinem Fachartikel „Im Sog der PLANdemie“, dass es Analogien zwischen Esoterikern und Verschwörungsgläubigen gibt. Beide Positionen wollen Antworten auf die Frage nach dem tieferen Sinn des Weltgeschehens geben, und ihr Verhältnis zur Welt ist distanziert und von Misstrauen geprägt. Er zeigt aber auch einen wesentlichen Unterschied auf. “Während Esoteriker von höheren Mächten, Energien und Kräften ausgehen, die man mit individueller spiritueller Bewusstseinsarbeit im kosmischen Prozess zu steuern meint, messen Verschwörungsgläubige innerweltlichen Akteuren übermenschliche Kräfte zu, deren Macht durch Erkenntnis ihrer dunklen Machen­schaften eingedämmt oder ganz genommen werden kann.“[12]

Diese Unterscheidung stimmt auch mit den Erfahrungen der BeraterInnen in unserer Einrich­tung überein, so dass man vorsichtig behaupten kann, dass der Glaube an Esoterik einen Nährboden für Verschwörungstheorien darstellt. Auch die deutliche Ablehnung gegenüber Impfungen hat zu einem großen Teil ihren Ursprung in esoterischen und anthroposophischen Lehren. Ein Grundsatz des anthroposophischen Glaubens ist der Glaube an Karma und Reinkarnation. Krankheiten sind in diesem Zusammenhang als Schicksal zu verstehen, sie haben ihre Ursache in Verfehlungen in früheren Leben. Um diese Schuld zu tilgen, muss der Mensch eine Krankheit durchleben, nur dann kann die Höherentwicklung der Menschen als spirituelle Wesen gelingen. Wenn ein Mensch den leichten Weg geht, indem er durch Impfungen Krankheiten verhindert, dann verspielt er die Chance, im nächsten Leben ein höher entwickelter Mensch zu werden. Waldorfschulen fallen seit Jahrzehnten durch deutlich geringere Impfquoten (Masernimpfungen) gegenüber Regelschulen auf. Auch in der Corona-Pandemie zeigte sich, dass die Skepsis gegenüber Impfungen und Mund-Nasen-Schutz an Waldorfschulen besonders hoch war. Anthroposophisch orientierte Ärzte stehen der Schulmedizin kritisch gegenüber und stehen gemeinsam mit Waldorflehrern überdurchschnittlich oft auf den Bühnen der Querdenker-Demonstrationen. Der Journalist Oliver Rautenberg bringt mit einem Zitat im Tagesspiegel die ideologische Verbindung auf den Punkt. „Der bekannte Religionshistoriker und Anthroposophieforscher Helmuth Zander hat mal gesagt, dass Verschwörungs­mythen quasi die DNA der Anthroposophie sind. Bei Steiner gibt es keine Zufälle, alles folgt einem großen, geheimen Plan, und es gibt verborgene Wahrheiten, die nicht jeder sehen kann. Die inhaltliche Nähe der Denkmuster ist also da.“[13]

Es gibt in dieser Kategorie nach wie vor deutlich mehr Beratungsfälle (104) als Anfragen (35). Das hat sich gegenüber den Vorjahren nicht verändert und liegt daran, dass esoterische Angebote in ihrer Gefährlichkeit schwer einzuschätzen sind. Man schließt sich meistens oder zumindest zunächst keiner neuen Gruppe an, sondern konsumiert nur ein Angebot, z.B. eine Beratung von einem Medium, ein Heilungsangebot durch Handauflegen oder eine Zukunftsdeutung. Die späteren konfliktträchtigen Auswirkungen werden oft erst sehr spät erkannt. Die 104 Beratungsfälle verteilen sich auf 55 verschiedene Anbieter.

In einzelnen Fällen kann es jedoch auch innerhalb der Esoterik zu einer engen Gruppen­bildung mit gravierenden Folgen, wie körperliche und seelische Misshandlungen, für die Mitglieder kommen. Am 20.07.2021 hat das Landgericht Duisburg den selbsternannten spiri­tuellen Führer eines “Balance Recovery Life Centers“ zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er ist nach Ansicht des Gerichts für eine Vielzahl von Gewaltdelikten und in einem Fall wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen verantwortlich. Der selbsternannte spirituelle Führer begann bereits 2002, esoterische Seminare zur Energiearbeit, Selbstheilung und Lebenshilfe anzubieten. Mit der Zeit gelang es ihm, einzelne Teilnehmer so an sich zu binden, dass eine enge Gemeinschaft entstanden ist. Viele ehemalige Mitglieder berichten von zunächst positiven Erfahrungen mit ihrem spirituellen Führer, unter anderem, dass er sie in ihrer persönlichen Entwicklung gestärkt hätte. Mit der Zeit entwickelte er allerdings ein System der Gewalt und Kontrolle.

Das Gericht kommt in seiner Urteilsbegründung zu dem Schluss, dass der Angeklagte voll schuldfähig sei und mit erheblicher Brutalität schwere Verletzungen bei seinen Opfern verur­sacht habe. Des Weiteren sprach gegen ihn, dass er ein System geschaffen habe, mit dessen Hilfe er die Mitglieder von sich abhängig gemacht habe.[14]

Das Gericht stellt in seiner Urteilsbegründung außerdem fest: „Der Angeklagte vermittelte der Gruppierung, dass nur er sie bei ihrer persönlichen und spirituellen Entwicklung weiterbringen könne, da er bereits „erleuchtet“ sei, „klarsehen“ könne und in unmittelbarem Kontakt zu Gott stünde. Die Mitglieder, die von der Richtigkeit dieser Angaben überzeugt waren, akzeptierten den Angeklagten als ihren “spirituellen Lehrer“ und waren ihm, um in ihrer persönlichen und spirituellen Entwicklung weiterzukommen, hörig.“ (…). „Das Fortbestehen der Gemeinschaft wurde nicht nur durch den Angeklagten selbst, sondern darüber hinaus durch die Mitglieder selbst gesichert. Versuche einzelner Mitglieder, die Gemeinschaft zu verlassen, wurden nicht stets, aber häufig verhindert, indem das fliehende Mitglied von den weiteren Gruppenmit­gliedern zurückgehalten oder auch unter Einsatz von körperlicher Gewalt zurückgeholt wurde“.[15]

Der Beratungsstelle war die Gruppierung seit mehreren Jahren bekannt, sie hat auch im letz­ten Jahr intensiven Beratungsbedarf ausgelöst. Viele Mitglieder hatten den Kontakt zu ihren Freunden und Angehörigen abgebrochen oder eingeschränkt. Immer wieder hatten sich in den Jahren zuvor auch Angehörige an die Beratungsstelle gewandt. Die Gemeinschaft hat sich inzwischen aufgelöst und viele der ehemaligen Mitglieder fragen sich aus heutiger Sicht: „Wie konnte mir das passieren?“. Ein ehemaliges Mitglied hat den Mut gefunden, die Erfahrungen, die es in dieser Gemeinschaft gemacht hat, zu berichten.[16] Auch aus psychologischer Sicht ist es wichtig, zu überlegen, wo eventuelle Ursachen liegen und wie der einzelne sich besser schützen kann.[17]

Im letzten Jahr hatten wir weitere Beratungsfälle und Anfragen zu einer kleinen schamani­schen Lebensgemeinschaft im Ruhrgebiet mit ca. 40 Anhängern, die glauben, dass sie sich gegen vermeintlich böse Wesenheiten schützen müssen. Die derzeitige Corona-Pandemie wird als Beweis für die Existenz dunkler Mächte herangezogen. Diese Gruppe wird von einem Ehepaar angeführt, das sich selbst als von Indianern abstammend bezeichnet. Durch ihre angebliche Hellsichtigkeit und ihren direkten Kontakt zum Jenseits fühlen sie sich in der Lage, die Gruppe mit ihrem allumfassenden Rat zu leiten. Dabei steht neben der Betonung einer engen Verbundenheit mit der Natur, das Feindbild einer dunklen bösen Macht im Vordergrund der Lehre. Gedanken und Gefühle der meisten Menschen würden von dieser Macht manipuliert und daher sollte man im Kontakt mit Menschen außerhalb der Gemeinschaft vorsichtig sein. In den Beratungsgesprächen wurde deutlich, wie sehr betroffene Angehörige darunter leiden, dass der Kontakt häufig ohne jede Erklärung komplett abgebrochen wurde. Von dem Kontaktabbruch waren auch minderjährige Kinder betroffen, deren Eltern sich dieser Gruppe angeschlossen hatten.[18]

Zusätzlich zu diesen Lebenshilfeangeboten hatten wir einige Beratungsfälle im letzten Jahr, die im Zusammenhang mit dem selbsternannten Geistmedium Jenny Solaria Delfini standen. Sie bietet dreitägige Licht- bzw. Seelennahrungsprozesse an, in denen man kein Essen, sondern nur „energetisiertes“ Wasser zu sich nimmt. Unsere Nahrungsmittel seien Gift für den Körper. Wer möchte, könne ganz ohne Essen auskommen, das mache gesund und sei die Zukunft. Durch den Prozess käme es zur Entgiftung der Zellen und dadurch zur Heilung von Krankheiten wie Krebs, Schizophrenie und Drogenabhängigkeit.[19]

Die Idee des Lichtnahrungsprozesses stammt ursprünglich von der Australierin Yasmuheen. Jenny Solaria Delfini verkürzte ihn auf drei Tage und ergänzte die Erlaubnis, „energetisiertes“ Wasser trinken zu dürfen. Sie hat ein InLiNa Camp gegründet, es liegt in malerischer Landschaft an einem See in Costa-Rica. Außerdem bietet sie Seminare zur Astralkörperreinigung, zum Aurasehen, sowie Hellsehen an. In ihrem Onlineshop verkauft sie neben homöopathischen Globuli auch Kristalle, die angeblich die Seele hüten. Zusätzlich verbreitet sie inzwischen auch Verschwörungstheorien. Für Corona-Geimpfte, so warnt die Heilerin auf ihrer Internetseite, könne sie nichts mehr tun. Impfungen seien Experimente am Menschen mit dem Ziel der „Neuzüchtung“. Die Seele gehe in den Besitz der Regierung und verliere die Kontrolle über weitere Inkarnationen. Es komme durch die Impfungen zu einem endgültigen Energieverlust und in Folge dessen zu Krankheiten und Persönlichkeitsveränderungen.[20]

An vierter Stelle stehen die Anfragen (62) und Beratungsfälle (64) zu den synkretistischen Neureligionen. Knapp die Hälfte der Beratungsfälle in dieser Kategorie beziehen sich nach wie vor auf die Gruppierung der Zeugen Jehovas (31). Verglichen mit den Ergebnissen aus den Vorjahren sind es deutlich weniger Fälle. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas die Corona-Pandemie genutzt hat, um die End­zeitstimmung unter den Gläubigen zu verstärken und dass es ihr trotz Versammlungs­verboten gelungen ist, mit Hilfe ihrer professionellen Digitalisierung ihre Mitglieder zusammen zu halten. Statt der Haustürmission verteilen die Zeugen Jehovas inzwischen persönliche, handgeschrie­bene Briefe, kleine Geschenke oder selbstgemalte Kinderbilder. Existenzielle Entbehrungen und schwierige Zukunftsaussichten können in dieser Glaubensgemeinschaft apokalyptisch gedeutet und durch die Hoffnung auf das „baldige Paradies auf Erden“ ertragen werden.

Da in den Vorjahren besonders viele junge Mitglieder die Organisation verlassen und Hilfe in unserer Beratungsstelle gesucht haben, kann vermutet werden, dass im letzten Jahr unzufriedene Mitglieder durch die Corona-Pandemie so verängstigt waren, dass sie ihre Ausstiegswünsche zurückgestellt haben. Viele Aussteiger haben in den Jahren davor berichtet, dass sie auch nach dem Ausstieg noch Angst vor dem Weltuntergang gehabt hätten und nachts unter Albträumen gelitten hätten. Eine weitere Schwierigkeit, unter der Aussteiger immer wieder leiden, ist die soziale Ächtung.[21]

Shinchonji, eine Glaubensgemeinschaft aus Korea, hat im letzten Jahr 19 Beratungsfälle verursacht. Dies ist unverändert hoch. Die 1984 vom selbsternannten Propheten Man-Hee Lee gegründete Gemeinschaft missioniert bereits seit einigen Jahren verstärkt in Essen. Die Anhänger sehen in Man-Hee Lee einen biblisch verheißenen Endzeitpastor. Er verkündigt die einzig wahre Deutung der Bibel und behauptet, dass die Endzeit bald bevorstehe. Obwohl in Deutschland im März 2020 viele Einrichtungen und Missionen aufgrund der Pandemie geschlossen wurden, konnte die Gruppe ihre Missionierungsstrategie fortsetzen. Die meisten Aktionen, Bibelkurse, Belehrungen und Gottesdienste finden jetzt dreimal die Woche online statt und die Anhänger versuchen, private Kontakte zu nutzen, um weiter zu missionieren. Einerseits wird offen auf Flyern, Internetseiten und Youtube-Kanälen geworben, andererseits durch Tarnorganisationen, wie Gruppen für Frauengerechtigkeit, Friedensgruppen und Jugendorganisationen. Diese behaupten zwar, unabhängig zu sein, aber deren Vorsitzender ist zugleich der Shinchonji-Gründer, so dass viele zu Beginn gar nicht bemerken, mit wem sie es zu tun haben. In Zusammenarbeit mit anderen Weltanschauungsbeauftragten wurde eine Informationsbroschüre erstellt, die kostenlos beim Sekten-Info NRW bestellt werden kann.

Aussteiger berichten von hohem psychischem Druck und dass sie deshalb Freunde und Familie vernachlässigt hätten. Auch waren viele besorgt, was mit den Informationen gesche­hen würde, die sie der Gruppe mitgeteilt hätten. Aufgrund der neuen Datenschutzgrund­verordnung kann jeder Bürger, der von der Organisation nicht mehr kontaktiert werden möchte, dies der Organisation per Einschreiben mitteilen und um Datenlöschung bitten.

Bei der Thematik Satanismus/ Okkultismus gibt es einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen, 34 Beratungsfälle und 30 Anfragen, so dass diese Kategorie in diesem Jahr auf Platz fünf rutscht. Inhaltlich hat sich dieser Bereich kaum verändert. Bei 23 der 34 Fälle ging es um das Thema der „Rituelle Gewalt und Mind-Control“-Theorie. War Ende der 80er Jahre von „Ritueller Gewalt und Mind-Control“ im Zusammenhang mit Satanisten die Rede, so wird heute eher pauschalisierend von geheimen Netzwerken und destruktiven Kulten gesprochen. Trotz jahrelangen intensiven Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft konnte bisher kein einziger Fall verifiziert werden, der diese Theorie bestätigen kann. Die kontroverse Diskussion um den Wahrheitsgehalt der zahlreichen Betroffenenberichte führte zu einer zunehmenden Verunsicherung von Therapeutinnen, die eine Beratung bei uns in Anspruch nahmen. Darüber hinaus meldeten sich viele Selbstbetroffene, die während ihrer Therapie schädigende Erfahrungen erleben mussten.

Ende des Jahres 2021 sorgte eine Dokumentation im Schweizer Fernsehen für viel Aufregung. Darin wurde das Konzept der „Rituellen Gewalt“ kritisch aufgearbeitet.[22] Ein Oberarzt, der in der Dokumentation verdeutlichte, dass er nach dieser Ideologie Therapien anbietet, wurde von der betreffenden Klinik zunächst freigestellt und dann entlassen. Auch zwei Lehrkräfte mussten berufliche Konsequenzen aus ihren Aussagen in der Dokumentation ziehen und dürfen nicht mehr unterrichten.[23] Daraufhin beschäftigten sich mehrere Veröffentlichungen mit diesem komplexen Thema.[24] Um zur Klärung und Versachlichung beizutragen, wurde schon im Jahresbericht 2019 ein Fachartikel veröffentlicht.[25] Bei den restlichen Beratungsfällen ging es um außergewöhnliche Erfahrungen.

Bei den guruistischen Gruppierungen (Platz 6) gab es im Vergleich zum überraschenden Anstieg vor zwei Jahren wieder eine rückläufige Tendenz, 12 Anfragen und 36 Beratungsfälle, die sich auf 12 verschiedene Gruppen verteilen. Auch hier gab es neue, bisher nicht in Erscheinung getretene Gruppierungen. Eine Betroffene beschreibt ihre Erfahrungen nach dem Ausstieg so, dass ihr bewusst geworden sei, dass durch ihren Glauben an den Heiler und spirituellen Leiter sie in eine Abhängigkeit geraten sei, die sie unfähig gemacht hätte, ihre persönlichen Lebenswünsche zu verwirklichen und eigenständig zu leben.[26]

Bei den Heilergruppen (29 Beratungsfälle) verursachten wie in den Vorjahren auch haupt­sächlich zwei Organisationen Sorgen und Probleme, der Bruno-Gröning-Freundeskreis (6) und die Germanische Neue Medizin (6). Die Lehre des Bruno-Gröning-Freundeskreises besagt, es gäbe kein Unheilbar. Nur wer vom göttlichen Weg abkomme, der werde krank. Man müsse glauben und vertrauen, dann werde man auch gesund, egal unter welcher Erkrankung man leiden würde, Krebs, Querschnittslähmung, Blindheit. Zweifel seien nicht erlaubt, auch Angehörige dürften keine Zweifel haben, das verhindere die Heilung. Man dürfe auch nicht an seine Erkrankung denken. Geworben wird nach wie vor über den Verein „Kreis für natürliche Lebenshilfe“. Hier sind überwiegend ältere Menschen betroffen. Es melden sich die besorgten Angehörigen oder Freunde, wenn sie bemerken, dass trotz einer gefährlichen Erkrankung, lebensnotwendige Medikamente abgesetzt werden.

Bei den Befürwortern der Germanischen Neuen Medizin gab es eine gefährliche und uner­freuliche Reaktionen auf die Corona-Pandemie und die damit zusammenhängenden Vorschriften. Ein Arzt, der offensichtlich mit dieser Ideologie sympathisiert, hat jungen Menschen Bescheinigungen ausgestellt, durch die sie vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit wurden. Das passt zu der Einstellung dieser Gruppierung, der Schulmedizin grundsätzlich zu misstrauen. Die Germanische Neue Medizin ist eine pseudomedizinische Lehre, die von Ryke Geerd Hamer 1981 entwickelt wurde. Die heutige Szene der Anhängerschaft ist durchsetzt mit rechtsextremem Gedankengut und antisemitischen Verschwörungstheorien.[27] Es werden Corona-Maßnahmen abgelehnt und Impfungen als lukratives Geschäft der Schulmedizin erklärt.[28] Neue Mitglieder werden sozial isoliert und dazu gedrängt, sich von skeptischen Freunden oder Familienangehörigen fernzuhalten, berichteten betroffene Angehörige.

Die Anfragen und Beratungsfälle zur Scientology-Organisation sind nicht mehr so hoch wie in früheren Jahren und nehmen in unserer Statistik momentan nur noch Platz acht ein. Es darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich die 18 Anfragen und 17 Beratungsfälle auf nur eine Gruppierung beziehen, während die anderen Kategorien mehrere Gruppen umfassen, so dass die Scientology-Organisation immer noch ein großes Konfliktpotential beinhaltet. In Deutsch­land wird die Scientology-Organisation weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet. Der im Juni 2021 veröffentlichte NRW-Verfassungsschutzbericht weist darauf hin, dass es in NRW ca. 350 Mitglieder gäbe und die Organisation ihre Angebote immer mehr ins Internet verlagern und verstärkt Online Kurse anbieten würde. Neben dem Versuch, sich durch Aktivitäten in der Immobilien- oder Beratungsbranche wieder mehr der Wirtschaft anzunähern, verfolgen sie weiterhin die Strategie, durch bekannte Werbe-Aktionen ihrer Tarnorganisationen Menschen zu ködern.[29]

Das entspricht auch den Erfahrungswerten unserer Beratungsstelle. Im letzten Jahr wurde hauptsächlich mit Hilfe der Broschüre “Der Weg zum Glücklichsein“ versucht, Passanten in NRW auf der Straße anzusprechen oder die Hefte in Geschäften sowie in privaten Briefkästen zu verteilen. In der Broschüre werden eher allgemeine Vorschläge und Anleitungen zum Glücklich sein dargestellt. Aber diese sollen helfen, Menschen bewusst zu machen, dass sie gerade in der Corona-Pandemie nicht glücklich sind und es die Möglichkeit gäbe, dies mit Hilfe von Scientology zu ändern.

Zusätzlich bietet Scientology Menschen, die durch die Corona-Krise verunsichert, einsam oder ängstlich sind, auf ihrer Internetseite einen kostenlosen Online-Kurs mit dem Titel “Lösungen für eine gefährliche Umwelt“ an.[30] In dem Werbefilm zum Kursangebot werden die üblichen Erklärungen und Lernmethoden der Scientology-Lehre als Ausweg angeboten, Nicht-Scientologen als Chaoshändler und Verursacher bezeichnet. Das eigentliche Problem der Pandemie wird heruntergespielt und es werden keine neuen Lösungsvorschläge angeboten.

Einzelne Scientologen zeigen ihren Unmut und ihre Einstellung zum Staat noch deutlicher. Sie hetzen verstärkt gegen staatlich verordnete Corona-Bestimmungen. Der Scientology naheste­hende Sabine Hinz Verlag hat mehrere Artikel in eigenen Broschüren veröffentlicht, die unter der Überschrift „Maskenwahn“, „Weltweite Studien belegen: kein Nutzen, kein Schutz“, „Corona und die Wahrheit“ das Corona-Virus leugnen und bekannten Verschwörungstheorien eine Plattform bieten.[31] Dies könnte ein Hinweis sein, dass einige Scientologen sich erhoffen, die Krise nutzen zu können, um den Staat zu schwächen und verstärkt neue Mitglieder in die  Organisation einbinden zu können, um in Deutschland wieder mächtiger zu werden. Es gibt zwar keine offizielle Position der Scientology-Organisation zur Corona-Impfung, aber man kann davon ausgehen, dass viele Mitglieder Impfungen eher ablehnen.

Im ZDF Länderspiegel wurde Anfang des Jahres über die große Nachfrage nach Nachhilfeunterricht während der Corona-Pandemie berichtet. Der Bayrische und Nordrhein-Westfälische Verfassungsschutz warnen erneut vor Nachhilfeangeboten der Scientology-Organisation. Diese bieten zum Teil verdeckt, zum Teil aber auch offen scientologisch geprägte Kurse für Kinder und Erwachsene an. Insbesondere Kinder werden somit schon früh unterschwellig und spielerisch in scientologische Denkweisen eingeführt.[32]

Viele Betroffene verlassen die Organisation nach kurzer Zeit wieder. Aber etliche Aussteiger, die uns in unserer Beratungsstelle um Hilfe bitten, beklagen, dass sie sich vorwerfen, selbst in der kurzen Zeit der Organisation zu viel anvertraut oder zu viel Geld gegeben zu haben.

Bei der Kategorie Strukturvertriebe (9) ging es im letzten Jahr hauptsächlich um Direktvertriebssysteme, die Nahrungsergänzungsmittel verkauft haben. Diese binden ihre Mitarbeiter an sich, indem sie mit Versprechungen, dass ein schneller Erfolg verbunden mit viel Geld und einer sinnvollen Tätigkeit zu erwarten sei, Sehnsüchte der Menschen bedienen. Dies ist aber leider beides nicht der Fall. Nahrungsergänzungsmittel können auch gesundheitliche Schäden verursachen und sollten nicht ohne ärztlichen Rat konsumiert werden. Im Zusammenhang mit Strukturvertrieben ging es häufig um Kündigungsmöglichkeiten von Verträgen bzw. um Rück­gabe von bestellten Waren, so dass eine rechtliche Beratung (5) erforderlich war.

Kinder- und Jugendschutz

Die Handlungsweise eines Menschen kann durch eine Glaubensüberzeugung so fehlgeleitet werden, dass Eltern, die ihre Kinder durchaus liebhaben, ihnen trotzdem Schaden zufügen. So gibt es beispielsweise Eltern, die aus Glaubensgründen schulmedizinische Behandlungen einschließlich notwendiger Impfungen für ihre Kinder verweigern oder ihre Kinder züchtigen oder vehement den Schulbesuch ablehnen. Wer mögliche Gefahren im Kontext neuer Glaubensgemeinschaften tabuisiert, duldet unter Umständen erhebliche Grenzverletzungen gegenüber Kindern.

Allein in unserer Beratungsstelle waren im Jahr 2021 239 minderjährige Kinder betroffen, in 68 Fällen war das Kindeswohl beeinträchtigt. Im letzten Jahr wurde in den Medien mit großem Interesse die Tat des selbsternannten Propheten der Glaubensgemeinschaft „Orden der Transformanten“ thematisiert. Der Prophet wurde am 30.12.2021 vom Klever Landgericht wegen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 19 Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der heute 59-jährige selbsternannte Prophet die inzwischen 27-jährige junge Frau im Alter von 13 Jahren das erste Mal und danach an unterschiedlichen Orten immer wieder missbraucht habe. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft gefordert. Die drei Verteidiger des Propheten hatten auf Freispruch plädiert. Der Vorsitzende Richter betonte bei der Urteilsverkündigung, dass die junge Frau als glaubwürdig einzuschätzen sei, sie habe ihre Erlebnisse glaubhaft und widerspruchs­frei erzählt. Sie lebte mit ihren Eltern in der Gemeinschaft und soll die Regeln der Gemein­schaft als Wort Gottes respektiert haben. Die Verteidiger des Angeklagten sind in Revision gegangen, aus diesem Grund ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.[33]

Die Mitarbeiter der Beratungsstelle begrüßen das Urteil und hoffen, dass die junge Frau zur Ruhe kommen und ihr Leben in Zukunft selbstbestimmt gestalten kann. Aus unserer Erfahrung wissen wir, wie belastend Aussagen vor Gericht für Betroffene sein können.

Bereits 2018 wurde von unserer Beratungsstelle eine Publikation in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen erstellt. Sie enthält eine Dokumentation gerichtlicher Entscheidungen, aus der zu ersehen ist, wie die Gerichte im konkreten Einzelfall entschieden haben. Unter dem Titel „Glaubensfreiheit versus Kindeswohl“ ist die Publikation seit November 2018 beim Sekten-Info Nordrhein-Westfalen erhältlich. Diese wurde in den letzten drei Jahren sowohl von Betroffenen als auch von Fachleuten gut angenommen und vielfach bestellt.

Diagramm 3: Informationsanfragen im Vergleich der letzten fünf Jahre

Diagramm 4: Beratungsfälle im Vergleich der letzten fünf Jahre

Unabhängig von der jeweiligen Gruppierung, die den Beratungsbedarf ausgelöst hat, ist es interessant zu fragen, wer die Beratungsstelle mit der Bitte um Hilfe aufgesucht hat, Menschen, die selbst betroffen sind, oder Freunde und Angehörige? Im letzten Jahr betrug der Anteil der Betroffenen, die für sich selbst eine Hilfestellung erwartet haben, 23%. Weitere 41% verteilten sich auf nahe Angehörige oder den Partner. Hier ist im Gegensatz zu den Vorjahren eine Verschiebung von den Menschen, die selbst betroffen sind, hin zu den besorgten Angehörigen zu erkennen. Im Zusammenhang mit dem Glauben an Verschwörungstheo­rien gab es fast niemanden, der aus eigenem Antrieb eine Beratung in Anspruch nehmen wollte, umso verzweifelter waren die Angehörigen der Verschwörungsgläubigen. Noch einmal 18% baten uns im Rahmen eines institutionellen Arbeitsauftrages um Hilfe (z.B. Polizei, Schule, Hochschule, Beratungsstellen, Jugendhilfe, Psychiatrien). Der Rest (18%) verteilte sich auf Anfragen, die sich auf Bekannte und Kollegen, sowie die Presse beziehen. Hier ist ein weiterer Anstieg bei den Presseanfragen (7%) gegenüber dem Vorjahr (6%) zu verzeichnen (vgl. Diagramm 2).

Diagramm 2: Informationsanfragen und Beratungsfälle aufgeteilt nach Art der Betroffenheit

Rechtsberatung 2021

Seit Januar 2004 ist der Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. in der Lage, ergänzend zur psychosozialen Beratung, kostenlos eine fundierte Rechtsberatung anbieten zu können. Von den 753 Klienten im Jahr 2021 haben 106 diese Möglichkeit in Anspruch genommen. Die Tabelle zeigt den Bedarf an Rechtsberatung, unterteilt in die auch sonst üblichen zehn Kategorien (vgl. Diagramm 5).

Diagramm 5: Rechtsberatung

Im letzten Jahr ging es im Rahmen der Rechtsberatung verstärkt auch um arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien. Besorgte Kollegen fragten nach der Grenze des arbeitsrechtlichen „Miteinander“, wenn ein Kollege am Arbeitsplatz stän­dig seine verschwörungstheoretischen Sichtweisen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie mitteilt und andere Kollegen sich dadurch gestört fühlen. Auch Arbeitgeber erkundigten sich, welche Reaktionsmöglichkeiten ihnen das Arbeitsrecht bietet, wenn ein Mitarbeiter die Corona-Pandemie leugnet und sowohl betrieblich vorgeschriebene Schutzmaßnahmen umgeht als auch durch provozierende Meinungsäußerungen im Betrieb Unruhe in die Belegschaft bringt. Diese Thematik und die damit verbundenen Fragestellungen werden daher in diesem Jahr auch in einem rechtlichen Fachartikel vertieft erläutert.[34] Ein weiterer großer Teil der Rechtsberatung hatte eine sorgerechtliche und umgangsrechtliche Problematik zum Inhalt und betraf alle Bereiche bis auf den der Strukturvertriebe. Im Zusammenhang mit Struktur­vertrieben ging es um Kündigungsmöglichkeiten von Verträgen bzw. um Rückgabe von bestellten Waren.

Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit

Aufgrund der Abstandsregeln, die während der Corona-Pandemie eingehalten werden mussten, wurden von Januar bis Dezember 2021 anstatt der üblichen Präsenzveranstaltungen siebzehn digitale Präventionsveranstaltungen durchgeführt. Insgesamt nahmen 560 Menschen an den Schulungen des Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e. V. teil. Diese Schulungen waren Fachtagungen für Mitarbeiter anderer Beratungsstellen (4), für Auszubildende im Polizeidienst (1) und für Fachkräfte an Schulen (3). Ergänzend zu diesem Angebot erstreckte sich die Aufklärungsarbeit des Sekten-Info Nordrhein-Westfalen e.V. auf weitere Vorträge in der Erwachsenenbildung (Volkshochschulen, Gemeinden, Elternkreise) (4) und auf Präventionsveranstaltungen mit SchülerInnen (3). Außerdem fanden Vorträge (2) für Führungskräfte in der Wirtschaft (ULA-Führungskräfte-Dialog) statt, bei denen es um den Umgang mit verschwörungsgläubigen Mitarbeitern am Arbeitsplatz ging.

Zusätzlich wurde die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert. Um dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit in aktueller Weise gerecht zu werden, wurden die Recherchearbeiten der Medien in 93 Fällen unterstützt. In 33 Fällen wurde durch eine direkte Mitwirkung in einem Fernseh-/Radiobeitrag oder Zeitungsartikel auf die Gefahren von Verschwörungstheorien, unseriösen Coaching-Angeboten und neuen Glaubensgemeinschaften hingewiesen.

Die Landeszentrale für Politische Bildung NRW hat im Rahmen der Projekte “Demokratie leben“ eine empfehlenswerte Dokumentation zum Thema Verschwörungsmythen produziert, in der auch Frau Riede als Expertin zu Wort kommt. Der thematischen Aufklärungsarbeit dienen außerdem zwei gelungene Animationsvideoclips.[35] Auch in der Reihe „Akademie fragt nach“ vom Grimme-Institut wurde Frau Riede als Leiterin der Beratungsstelle zu den Gefahren von Verschwörungstheorien befragt.[36] Ebenso nutze auch der WDR in der Lokalzeit und in der Aktuellen Stunde ihre Expertise zum Thema Verschwörungstheorien. Neben mehreren Radiointerviews (Radio Essen, WDR, Hessischer Rundfunk) wurden die Mitarbeiter der Bera­tungsstelle in Veröffentlichungen der Zeitschrift Markt und Mittelstand, der FAZ, der Welt am Sonntag, der WAZ, der NRZ, der Rheinischen Post und der Neuen Westfä­lischen Zeitung zu den unterschiedlichsten Themenbereichen zitiert. Am häufigsten ging es um die Problematik der Verschwörungstheorien, aber auch um unseriöse Coaching Angebote, Esoterik, Lichtnahrungsprozesse und allgemeine Entwicklungen der weltanschaulichen Szene. Ein besonders ausführliches Interview mit Frau Riede zum Thema Verschwörungserzählungen in der Beratungsarbeit ist in der empfehlenswerten Publikation „True Facts“ von Katharina Nocun und Pia Lamberty zu finden. Einige der Interviews sind auf unserer Webseite verlinkt.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter des Sekten-Info Nord­rhein-Westfalen e.V. Lehrern gern Informationsmaterial für die Aufklärungsarbeit im Unterricht zur Verfügung stellen. Dafür haben wir auf unserer Homepage eine Spalte „Material Präventionsarbeit“ eingerichtet. Hier können Lehrer zu den verschiedensten Themen unserer Beratungsstelle sowohl Infomaterial für den Unterricht als auch Fallberichte und Hintergrundinformationen erhalten. Leider ist es aufgrund des ständig sich erweiternden und wachsenden Beratungsbedarfes in unserer Einrichtung nicht mehr möglich, allgemeine Informationsveranstaltungen an Schulen durchzuführen, sondern nur, wenn unsere Unterstützung im Rahmen eines konkreten Vorfalles an der Schule benötigt wird. Inzwischen bieten wir hier zusätzlich Einzelgespräche in Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeitern an.
 

Gremienarbeit

Der Informationsaustausch über Trends in der aktuellen Weltanschauungsszene fand dieses Jahr, wie schon im Jahr zuvor auch, nur eingeschränkt statt. Viele Workshops mit anderen Sektenberatungsstellen, kirchlichen Sektenbeauftragten und Betroffeneninitiativen wurden in digitaler Form angeboten, so konnten die MitarbeiterInnen insgesamt an achtzehn Gremiensitzungen und weiteren sechs Einzelgesprächen teilnehmen. Vorstandssitzungen waren hiervon nicht betroffen, sie konnten mit dem nötigen Abstand trotzdem stattfinden. Zusätzlich haben die Mitarbeiter sich im Rahmen verschiedener Fortbildungsveranstaltungen digital weitergebildet.